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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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Dean alles änderte.
    Er konnte den Blick noch immer nicht von diesem Mädchen
abwenden. Ihm fiel auf, dass sie Piercings im Ohr und an der Nase hatte. Zudem
waren ihre Handgelenke bandagiert, wahrscheinlich war das ihre Eintrittskarte
für Zimmer 035 gewesen.
    Das alles war in wenigen Millisekunden geschehen,
denn längst hatte sie ihn entdeckt. Im ersten Moment schien sie sich zu ärgern,
dass sie die Tür offen gelassen hatte, im zweiten Moment fauchte sie ihn an. „Verpiss
dich, du Spanner!“
    „Ich wollte nicht... Ich bin nur vorbeigelaufen, und
da...“
    Sie kam auf ihn zu und streckte ihm den Mittelfinger
entgegen, dann knallte sie die Tür vor seiner Nase zu.
    Francis blieb noch einen Augenblick vor dem Zimmer
stehen und las, was auf dem Türschild stand: Anne-May Gardener. Den Namen
würde er sich merken.
     
    2
     
    Claymont war ein Provinznest an der Ostküste, gerade
noch groß genug für die Standardausrüstung einer Kleinstadt, bestehend aus
McDonald's, Papa John's, Starbucks, Wal-Mart, Subway und Lucky Brand Jeans. Für
Festivals oder eine Universität war Claymont drei Ecken zu klein, und wer etwas
im Leben vorhatte, haute gleich nach der Schule ab. Die restlichen Bewohner von
Claymont hatten Minderwertigkeitskomplexe, weil sie hier lebten und nicht im
dreißig Meilen entfernten Jersey City, so wie die Leute in Jersey City Komplexe
hatten, weil sie dort lebten und nicht in New York. Die größten Komplexe hatten
aber die Menschen, die im Pine-Tree-Trailerpark draußen am Stadtrand hausten.
Es waren Verrückte, Verlierer oder kaputte Familien, und selbst die meisten
Kinder wirkten seltsam verstört, mit raspelkurzen Haaren, schlechten Zähnen und
einem debilen Gesichtsausdruck, den man nur bekam, wenn einem das Leben die
Unwissenheit ins Gesicht getackelt hatte. Hier lebte Francis mit seiner Mutter
seit zweieinhalb Jahren. Durch ihre Krankheit war sie ihren Job als Sekretärin
in einer Immobilienfirma losgeworden, und kurz darauf hatte sich sein
Stiefvater an der Börse verspekuliert. Von dem bisschen Geld, das er ihnen
seither gab, hatten sie die Miete für die Wohnung im Stadtzentrum nicht mehr
bezahlen können. Danach hatten sie erst in einem Motel 6 gewohnt,
ehe sie schließlich in eines der knapp siebzig, meist verfallen wirkenden
Mobile Homes am Rand von Claymont gezogen waren.
    Anfangs hatte es Francis gestört, aber inzwischen
hatte er sich daran gewöhnt. Hin und wieder bekam er zwar mit, wie die Polizei
jemanden verhaftete, oder er beobachtete eine Schlägerei, bei der jemand halb
totgeprügelt wurde. Aber ein Typ wie er, über eins neunzig groß und durchtrainiert,
kam hier draußen ganz gut zurecht. Und es gab in der Siedlung ja auch nette und
normale Leute. Seinen Nachbarn Toby Miller zum Beispiel, der mit allerlei
Zeugs dealte, damit er und seine Familie über die Runden kamen. Auch Toby
träumte davon, dass er hier eines Tages abhauen und es nach Brooklyn schaffen
würde. Dort wollte er dann ein Lokal aufmachen, eine Frau finden und ein neues
Leben anfangen. Der Punkt war nur, dass jeder hier draußen irgendwann dieses
bestimmte Gefühl bekam. Manche mit zwölf, andere mit sechzehn, einige hatten es
schon von Geburt an. Dieses Gefühl, dass man niemals von hier wegkommen
würde.
    Als Francis an diesem Tag die Fliegengittertür zum
Trailer aufstieß, war er so glücklich wie lange nicht mehr. Es lag an seiner
Begegnung mit Anne-May Gardener. Unter anderen Umständen hätte sich der Kontakt
zwischen ihr und ihm nur auf das Nötigste beschränkt. Sie wäre ein Model gewesen
und er eben er, ein potentieller Mitarbeiter bei Wendy's in der Spätschicht.
Sie wäre zu ihm an die Kasse gekommen und hätte sich einen Salat und einen
Cheeseburger bestellt.
     
    Anne-May: „Einen Salat und einen Cheeseburger,
bitte!“
    Francis: „Hier, macht 2,90. Willst du lieber das
Maxi-Sparmenü mit Fritten für 3,80?“
    Anne-May:
„Nein.“
     
    Das wäre es gewesen, mehr hätte er mit ihr nicht zu
reden gehabt. Aber jetzt lag sie in der Klinik, nur ein paar Zimmer von seiner
Mutter entfernt, und war offenbar verrückt. Das hieß für ihn, dass sie so
schnell nicht rauskam und er genügend Zeit hatte, mit ihr ins Gespräch zu
kommen. Morgen, gleich nach der Schule, würde er seine Mutter besuchen und
zufällig auch bei Anne-May vorbeischauen, um sich fürs Spannen zu
entschuldigen, und dann würde er ihr erzählen, dass seine Mom ebenfalls da sei
und dass er deshalb ganz durcheinander wäre, und dann

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