Fauler Zauber
Sturmwächter und Kriegslords, die Kommandos nur der Erbfolge verdankten.
Er wucherte wie ein steifer gelblicher Fleischberg auf einem massiven hölzernen Stuhl. Das ganze Brimborium war schon mehrmals umgezogen, doch der Körper selbst hatte kein einziges Mal gezuckt, seit ihn jemand vor vierhundert Jahren mit einem Dolch aufgespießt hatte. Allmählich wurde er ein bißchen zottelig. Loghyrfleisch zersetzt sich zwar nicht allzu schnell, aber Mäuse und ganze Spezies von Insekten betrachten es als Delikatesse.
Die Wand gegenüber seinem Stuhl hatte weder Fenster noch Türen. Ein Künstler hatte im großen Maßstab eine Landkarte des Kriegsgebietes darauf gepinselt. Und im Augenblick marschierten gerade Mengen von Käfern über diese Gipslandschaft hinweg und sollten eine Erklärung dafür liefern, wie der Söldner Glanz Großmond nicht nur den Venageti entwischt war, die ihn hatten vernichten wollen, sondern auch unseren eigenen Kommandeuren, die ihn unbedingt hatten fangen und einkerkern wollen, bevor seine Erfolgsserie sie noch dümmer und unfähiger dastehen ließ, als es ohnehin schon der Fall war.
»Du bist wach.«
Verschwinde, Garrett.
»Wer gewinnt? Die Ameisen oder die Kakerlaken? Paß auf die Spinnen in der Ecke da auf. Sie pirschen sich an deine Silberfische ran.«
Hör auf zu nerven, Garrett.
»Ich habe Besuch, eine mögliche Klientin. Wir brauchen Klienten. Ich möchte, daß du dir ihr Gejammere anhörst.«
Du hast schon wieder eine Frau in mein Haus gelassen? Garrett, meine Gutmütigkeit ist zwar so unermeßlich wie der Ozean, aber sie hat definitiv Grenzen.
»In wessen Haus? Müssen wir schon wieder das alte Thema aufwärmen, wer hier Vermieter und wer Hausbesetzer ist?«
Ich hätte fast seine Strategie durchschaut.
»Er macht es mit Spiegeln. Gäbe es eine Strategie, dann hätte der Kriegsrat der Venageti sie schon vor Monaten entdeckt. Sie versuchen schließlich nicht zum Spaß, Glanz Großmond aufzuspüren. Es geht um Leben und Tod.« Der Söldner erledigte sie einen nach dem anderen. Offenbar hatte er eine alte Rechnung zu begleichen.
Ich nehme an, daß es sich bei dieser hier nicht um deine rothaarige Freundin handelt?
»Tinnie? Nein. Die hier arbeitet für Sturmwächterin Raver Styx. Sie hat Feenblut in sich. Du wirst dich auf Anhieb in sie verlieben.«
Im Gegensatz zu dir, der sich in alle Weibchen auf den ersten Blick verliebt, bin ich nicht länger Sklave meines Fleisches, Garrett. Es hat Vorteile, tot zu sein. Man erlangt dadurch die Fähigkeit, logisch zu …
Die Story kannte ich schon bis zum Überdruß. »Ich bring sie rein.« Ich ging ins vordere Zimmer. »Miss Crest? Kommen Sie bitte mit?«
Sie warf mir einen finsteren Blick zu. Selbst gereizt war sie eine Sahneschnitte, aber ihre Haltung verriet, wie verzweifelt sie war. Mehr Informationen brauchte ich nicht. »Amiranda, Traum meiner schlaflosen Nächte … Bitte.«
Sie folgte mir. Vermutlich wußte sie, daß sie keine Wahl hatte.
2. Kapitel
Amiranda Crest schüttelte sich beim Anblick des Toten Mannes. Ich bin daran gewöhnt und vergesse immer wieder seine Wirkung auf Leute, die noch nie einen toten Loghyr gesehen haben. Sie verzog ihr süßes Näschen. »Hier stinkt's«, flüsterte sie.
Das stimmte, aber es war erträglich, und außerdem hatte ich mich daran gewöhnt. Ich überging die Bemerkung einfach. »Das ist Amiranda Crest, eine Abgesandte der Sturmwächterin Raver Styx.«
Bitte verzeihen Sie mir, daß ich nicht aufstehe, Miss Crest. Ich bin zwar mentaler Wunder fähig, Selbstlevitation jedoch gehört bedauerlicherweise nicht dazu.
»O nein«, platzte es aus Amiranda hervor. »Nicht von der Sturmwächterin. Die ist im Cantard. Ihre Sekretärin Domina Willa Dount schickt mich. Ich bin ihre Assistentin. Sie möchte Sie in einer Sache sprechen, die Sie für sie erledigen sollen, Mr. Garrett. Für die Familie. Und diskret.«
»Heißt das, Sie wollen mir nicht sagen, worum es sich handelt?«
»Ich weiß nicht. Ich sollte Ihnen einfach nur hundert Taler geben, in Gold, und Ihnen ausrichten, daß nach Erledigung des Jobs noch tausend mehr winken. Die hundert gehören Ihnen bereits, wenn Sie einfach nur mitkommen und sie treffen.«
Sie lügt, Garrett. Sie weiß, worum es geht.
Das war bestimmt nicht einfach nur dahingesagt.
»Ist das alles?«, fragte ich. »Kein Wort darüber, wofür ich meinen Hals riskiere?« Während der Tote Mann mich warnte, änderte Amiranda ihre Strategie.
Sie begann,
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