FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
für Meineid und Strafvereitlung. Der unabhängige Staatsanwalt sollte zu dem Schluss kommen, dass Präsident Reagan, der Verteidigungsminister, der CIA-Direktor und ihre Berater das Recht umgangen oder gebrochen hatten. Aber Präsident Bush senior begnadigte schließlich alle, denen eine strafrechtliche Anklage drohte – darunter auch den Leiter für verdeckte Operationen bei der CIA Clair George und den Leiter der CIA-Spionageabwehr Duane Clarridge.
Es tat es Ronald Reagan gleich, der Mark Felt und Ed Miller begnadigt hatte. Er ließ im Namen der nationalen Sicherheit den Rechtsstaat mit Füßen treten.
Dennoch leitete Richter Webster eine neue Ära bei der CIA ein. »Mit Websters Ego, seiner mangelnden Erfahrung mit auswärtigen Angelegenheiten und seiner kleinkarierten Weltsicht wären wir ja noch klargekommen«, sinnierte Clarridge. »Aber womit wir nicht klarkamen, war die Tatsache, dass er Jurist war. Bei seiner Ausbildung zum Juristen und Richter war es immer darum gegangen, dass man nichts Illegales tun durfte. Er konnte nie akzeptieren, dass die CIA genau das tut, wenn sie im Ausland operiert. Wir brechen die Gesetze dieser Länder. So kommen wir an Informationen. Deshalb sind wir im Geschäft.« [574]
Clarridge und seine Kollegen bei der CIA gingen gegen Webster auf die Barrikaden. Sie waren der Meinung, er verstehe nicht, worum es bei Geheimoperationen gehe. Websters Nachfolger beim FBI hatte mit fast identischen Problemen zu kämpfen.
Buck Revell und die restliche FBI-Führung fanden die Ernennung von William Sessions, einem Bundesrichter aus Texas, merkwürdig und überraschend. Richter Sessions schien das Engagement des FBI auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit bewusst zu ignorieren.
Nach dem Amtsantritt des Richters am 2. November 1987 begann der Fokus des FBI zu verschwimmen. Sessions wusste nicht, wie man eine Organisation leitet und Ermittlungen beaufsichtigt. Nach fast sechs Jahren als Direktor hatte er weder die Behörde im Griff noch das Vertrauen seiner Untergebenen gewonnen. Sessions gab in aller Öffentlichkeit zu, er wisse wenig über die Rolle des FBI auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit und gar nichts über die Bedeutung von Geheimoperationen. Seine Aufgabe schien er als vornehmlich repräsentativ zu betrachten, und er sollte, lange bevor er seine Stelle verlor, die Kontrolle über das FBI verlieren. Buck Revell fand, dass die Terrorabwehrkompetenzen des FBI unter Sessions »quasi neutralisiert« worden waren. [575] Ende der 1980er Jahre, so glaubte er, sei die Fähigkeit des FBI, »unserer Verantwortung in der Terrorabwehr nachzukommen, auf nahezu null gesunken«. [576] Mit Anbruch des neuen Jahrzehnts unterbot Sessions diese Marke noch. Er versetzte über ein Drittel der Agenten, die für die Terrorbekämpfung tätig waren, in die Abteilung für Straßenkriminalität.
Das FBI glaubte offensichtlich, dass »Terrorismus keine große Gefahr war«, so Richard Marquise, der das Zentrum für Terrorismusforschung und -analyse des FBI leitete, eine kleine, unwichtige Abteilung im Hauptquartier. Marquise, Sohn eines FBI-Agenten, stieß 1971 zum FBI, drei Jahre bevor sein Vater in Pension ging. Er hatte unter sämtlichen Direktoren gearbeitet, auch unter Hoover. Als viele seiner Kollegen die Abteilung längst verlassen hatten, blieb er der Terrorabwehr treu und kämpfte gegen die verbreitete Ansicht an, dass die Bedrohung der Vereinigten Staaten mit dem Abflauen des Kalten Kriegs geringer wurde.
»Terroristen sind im Ausland aktiv«, erklärten ihm seine Vorgesetzten. »Sie greifen uns hier nicht an.« [577]
Marquise sah das anders. »Wir warteten alle darauf, dass ein ganz großes Ding passiert.«
40
Mosaik
Bei der Untersuchung des Bombenanschlags auf den Pan-Am-Flug 103 über Lockerbie war das FBI darauf angewiesen, mit CIA-Analysten, schottischen Polizisten, deutschen Geheimdienstleuten und libyschen Doppelagenten zusammenzuarbeiten. Solche Verbindungen beruhten auf Vertrauen – einem Vertrauen, wie es sich zwischen Polizisten und Spionen im In- und Ausland selten einstellt. Ganz allein konnte das FBI einen Fall, der Landesgrenzen und Ozeane überschritt, jedenfalls nicht lösen.
Pan-Am-Flug 103 von London Heathrow nach New York startete am Mittwoch, dem 21. Dezember 1988, um 18. 25 Uhr. Die Hälfte der Passagiere war von Frankfurt kommend zugestiegen. Achtundzwanzig Minuten später zerriss eine Explosion die Boeing 747. Über Lockerbie ging ein Feuerregen
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