FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
»Made in Malta« in einem kupferbraunen Koffer der Marke Samsonite Silhouette befunden hatten. Aber das verrieten sie dem FBI nicht. Dann entdeckten die Deutschen einen Computerausdruck, aus dem hervorging, dass am Flughafen Frankfurt ein einzelner Koffer von einem Air-Malta-Flug in das Flugzeug der Pan Am verladen worden war. Aber das verrieten sie den Schotten nicht. Im Januar 1990 traf sich das internationale Ermittlerteam erneut, diesmal in Schottland, und auch diesmal wusste keiner über die Ermittlungsergebnisse des anderen Bescheid. Marquise hatte das ungute Gefühl, dass die Lösung des Falls in den Sternen stand.
»Wir haben tonnenweise Probleme mit der CIA. Jede Menge Rivalitäten«, sagte Marquise. »Die Schotten machen ihr eigenes Ding. Die Deutschen geben ihre Akten nur an die Schotten weiter, wenn sie Lust dazu haben. Auch das FBI macht nach wie vor sein eigenes Ding […] Jeder macht nach wie vor sein eigenes Ding.«
Im Juni 1990 zahlten sich dann kleine Gefälligkeiten aus. Stuart Henderson, der neue Chefermittler in Schottland, reichte ein Beweisstück an Marquise weiter: das Foto des winzigen Fragments einer Platine, die mit einem Fetzen der Kleidung aus Malta verschmort war. Die Schotten hatten sich an 55 Firmen in 17 Ländern gewandt, ohne das Fragment identifizieren zu können. »Sie hatten keine Ahnung. Nicht die geringste Ahnung«, berichtete Marquise. »Also sagten sie, wahrscheinlich mit einem Augenzwinkern: ›Probiert ihr das mal. Versucht ihr euer Glück.‹«
Das Kriminallabor des FBI gab das Foto an die CIA weiter. Ein Analyst der Behörde besaß das Foto einer praktisch identischen Platine, die vier Jahre zuvor von zwei Libyern auf der Durchreise im senegalesischen Dakar beschlagnahmt worden war. Auf der Rückseite standen vier Buchstaben: MEBO. Niemand wusste, was MEBO bedeutete.
Seit dem Anschlag auf den Pan-Am-Flug 103 waren achtzehn Monate vergangen.
»Die Kommandokette gekappt«
Der Fall Lockerbie war ein Mosaik aus Mutmaßungen und Hypothesen. Auf der Führungsebene des FBI glaubten die wenigsten, dass er noch zu lösen sei. Jemand musste die Sache in die Hand nehmen.
Robert Swan Mueller III. wurde Ende Juli 1990 zum Leiter der Abteilung für Strafrecht im Justizministerium ernannt. Trotz seines aristokratischen Auftretens kam er bei den FBI-Agenten und ihren Vorgesetzten gut an. Sie nannten ihn Bobby Three Sticks. Mueller hatte einen scharfen Verstand, war sehr umgänglich und schätzte handwerklich gute Arbeit. Der künftige FBI-Chef war die geborene Führernatur. Und er kam von der Marine.
Nach seinem Studium in Philadelphia und Princeton hatte er als Zugführer bei der Marineinfanterie in Vietnam gedient. In einem offiziellen Bericht vom 11. Dezember 1968 über eine Schlacht in der Provinz Quang Tri wurde sein Mut bei einer Vernichtungsmission gelobt. Gegen ein Aufgebot von 200 nordvietnamesischen Soldaten bewegte sich Leutnant Mueller »furchtlos von einer Stellung zur nächsten, leitete das zielgenaue Konterfeuer seiner Leute und sprach ihnen Mut zu. Unter völliger Missachtung der eigenen Sicherheit führte er […] persönlich eine Gruppe durch das unter Feuer stehende Terrain, um einen lebensgefährlich verletzten Marineinfanteristen zu bergen, der in einer Stellung jenseits der eigenen Linien gefallen war.« [579] Neben anderen Auszeichnungen erhielt er den Bronze Star für Tapferkeit.
Sein Aufstieg in eine leitende Position im Justizministerium erfolgte in einem für das FBI kritischen Moment. Saddam Hussein war in Kuwait einmarschiert, die Vereinigten Staaten rüsteten zu einem Krieg am Persischen Golf. Beim FBI registrierte man die nervösen Zuckungen der Terrorwarnungen, die als Drohungen des Irak gegen Ziele in den Vereinigten Staaten gedeutet wurden. Aber Geld und Personal für die Terrorabwehr waren knapp, Tendenz sinkend. Genauso verhielt es sich mit der Moral, ein Zustand, an dem der Führungsstil von FBI-Direktor William Sessions keinen geringen Anteil hatte. »Die volle Aufmerksamkeit von Direktor Sessions zu bekommen war eine echte Herausforderung«, berichtete Bill Baker, der frisch ernannte Leiter der Abteilung für Ermittlungen in Strafsachen beim FBI, der eine enge und wichtige Allianz mit Mueller schmiedete. [580]
Mueller übertrug Marquise die volle Verantwortung für Lockerbie. Nie zuvor hatte ein Geheimdienstanalyst des FBI eine so große Ermittlung geleitet. Marquise war Baker direkt unterstellt, und Baker hatte nur Mueller
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