FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
gegen ihn ermittelt, und er war ins Gefängnis gekommen, weil er im Ersten Weltkrieg den Kriegsdienst verweigert hatte.
Baldwin riet Stone zur Lektüre eines neuen ACLU-Berichts mit dem Titel »Das landesweite, vom Justizministerium betriebene Spitzelsystem«. Darin wurde dem Bureau vorgeworfen, es höre Telefone ab, öffne Briefpost, verwanze Wohnungen, verübe Einbrüche, stelle schwarze Listen mit politischen Gegnern zusammen und betreibe Spionage gegen legale Organisationen und Einzelpersonen. Die ACLU behauptete, das Bureau sei »eine politische Geheimpolizei« geworden. Wie es weiter hieß, seien Hoovers Akten der Treibstoff für die Spionagemaschinerie – die General Intelligence Division und ihr Vorläufer, die Radical Division, seien seit 1919 für die Spionageoperationen des Bureau verantwortlich. Stone las den Bericht mit großem Interesse. Darin waren genau die Methoden beschrieben, mit denen er aufräumen wollte. Er zeigte Hoover den ACLU-Bericht und bat ihn um eine Stellungnahme.
Hoovers Zukunft hing davon ab, wie geschickt er sich in seiner siebenseitigen, flammenden Erwiderung zu rechtfertigen wusste. Er beharrte darauf, die Behörde habe nur gegen »ultraradikale« Personen und Gruppen ermittelt, die gegen Bundesrecht verstoßen hätten. Vielen von ihnen, wenn nicht den meisten, würden »Aktivitäten zur Last gelegt, die unseren Institutionen und unserer Regierung schaden«. Die Arbeit des Bureau seit 1919 sei »vollkommen untadelig und legal« gewesen. Es habe niemals Telefone abgehört und sei auch bei niemandem eingebrochen. »Das Bureau hat diesbezüglich sehr strenge Vorschriften«, schrieb er. Die ACLU hingegen würde ihrerseits »konsequent und fortwährend […] für die Sache der Kommunisten eintreten« und verwechsle Bürgerrechte mit einem Freibrief für kriminelle Handlungen. [104]
Eine Woche später, am 7. August 1924, fanden sich Hoover, Baldwin und Stone zu einer Unterredung im Justizministerium ein. Hoover bestritt den Großteil der Unterhaltung, wie stets bei Gesprächen, die das Potential für Ärger bargen. Er blieb bei seiner Behauptung, wie er es sein Leben lang tun sollte, er habe bei den Razzien gegen die Kommunisten keine aktive Rolle gespielt.
Baldwin versicherte er, dass die Tage der politischen Spionage vorüber seien. Die General Intelligence Division sollte aufgelöst werden – das Aktenmaterial werde er jedoch behalten, bis der Kongress dessen Vernichtung anordne –, und das Bureau werde sich künftig auf Ermittlungen bei Verstößen gegen Bundesgesetze beschränken. Er verleugnete seine eigene Vergangenheit. Er wirkte ausgesprochen überzeugend.
»Ich glaube, wir hatten unrecht«, schrieb Baldwin einige Tage danach an Stone. Er erklärte den Reportern, Hoover sei der richtige Mann für den Posten. Hoover antwortete mit einem freundlichen Dankesbrief. Es sei sein Ziel, so schrieb er, »meinen Schreibtisch jeden Tag in dem Bewusstsein zu verlassen, dass ich die Rechte der Bürger in diesem Land in keiner Weise verletzt habe«.
Während diese Artigkeiten ausgetauscht wurden, und noch Monate und Jahre danach, führte das FBI die Unterwanderung der ACLU konsequent fort. Im Herbst 1924 setzte das Bureau einen Spion auf den ACLU-Vorstand an, entwendete Protokolle von Sitzungen in Los Angeles und besorgte sich Spenderlisten. Sieben Wochen nach seinem freundschaftlichen Treffen mit Baldwin erhielt Hoover neue und detaillierte Berichte über die juristischen Strategien des ACLU-Vorstands. Seine Akten enthielten auch Dossiers über die Führer und prominenten Unterstützer der Gruppe, darunter eine der bekanntesten Frauen der Welt, die taubblinde Helen Keller. Ihre Akte war nur eine von tausenden, mit denen das FBI auf einzigartige Weise die Geschichte der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung dokumentierte.
»Wir hatten keine Ahnung davon, dass Hoovers FBI uns überwachte«, sagte Baldwin ein halbes Jahrhundert später. »Sie hatten uns die ganze Zeit im Visier.« [105]
Und auch die General Intelligence Division schaffte Hoover nicht ab. Auf dem Papier gab es sie nicht mehr. Aber ihr Lebenssaft, die Akten, existierten weiter. Um deren Geheimhaltung sicherzustellen, schuf Hoover ein komplett neues System mit der Überschrift »Offiziell und vertraulich«. Zu diesen Dokumenten hatte nur er Zugriff. Das Zentralarchiv gehörte theoretisch dem Justizministerium. Die darin verwahrten Akten konnten somit vor Gericht oder per Zwangsvorladung durch den Kongress an
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