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FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)

Titel: FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Botschaften und Diplomaten in den Vereinigten Staaten. Und mit den Diplomaten kämen die Spione.
    Das Bureau spionierte Senator William E. Borah aus Idaho aus, den Vorsitzenden des Foreign Relations Committee, des Senatsausschusses für Auslandsbeziehungen; Daugherty war der Ansicht, der Senator habe mit seiner Befürwortung der Anerkennung Sowjetrusslands »den Radikalen in die Hände gespielt«. [97]   Auch die beiden Senatoren aus Montana gerieten ins Visier des Bureau: Thomas J. Walsh, der Hoover für den Rechtsausschuss zu den Razzien gegen die Kommunisten befragt hatte, und der neugewählte Burton K. Wheeler, der sich zwei Wochen nach seiner Vereidigung auf eine Reise nach Moskau begab, um sich ein Bild von den Zuständen zu machen. Wheeler, ehemals US-Bundesstaatsanwalt in Montana, war beim Bureau bereits aktenkundig, weil er den radikalen Zeitungsherausgeber Bill Dunn verteidigt hatte. Dieser war in das Parlament von Montana gewählt worden, nachdem er wegen Aufwiegelung vor Gericht gestanden hatte und freigesprochen worden war. Darüber hinaus wurden in Washington mindestens zwei weitere Senatoren und zwei Mitglieder des Repräsentantenhauses, allesamt Kritiker des Präsidenten und des Justizministers, zur Zielscheibe politischer Ermittlungen durch das Bureau.
    Nach seiner Russlandreise im April 1923 war Senator Wheeler geneigt zu glauben, dass aus dem Chaos und Terror der Revolution Kapitalismus und Religionsfreiheit entstehen könnten. Deshalb befürwortete er, in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt, die diplomatische Anerkennung Russlands. Der Justizminister tobte.
    »In seinem Kopf verfestigte sich das Bild von mir, dass ich ein Bolschewik sei«, erinnerte sich Wheeler. [98]   Daugherty brandmarkte Wheeler – zunächst privat, dann auch öffentlich – als »den Kommunistenführer im Senat« und behauptete, er sei »genauso wenig ein Demokrat wie Stalin, sein Moskauer Genosse«. Er nannte ihn »Teil der Bemühung, durch bewusste Täuschung so viele Senatsmitglieder wie möglich für sich zu gewinnen und in Washington und den Amtsräumen des Kongresses ein Giftgas zu versprühen, das so tödlich ist wie jenes, das tapfere Soldaten im letzten Krieg geschwächt und getötet hat«. [99]  
    Hoovers Rolle im politischen Kampf gegen die Anerkennung Russlands war subtiler. Er fütterte Politiker seines Vertrauens und privat finanzierte Kämpfer gegen den Kommunismus behutsam mit Dokumenten aus den Akten des Bureau. Dem ehemaligen Associated-Press-Reporter Richard Whitney half er bei der Recherche zu einer Reihe von Hetzartikeln, später zusammengefasst in einem Buch mit dem Titel Reds in America , in dem Whitney sich für Hoovers persönliche Hilfe bedankte. Whitney führt an, der Einfluss der sowjetischen Agenten durchdringe sämtliche amerikanische Institutionen; sie hätten jeden Winkel des amerikanischen Lebens infiltriert. Die Zusammenkunft in Bridgman nannte er einen Schlüsselmoment in »der gigantischsten Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten in ihrer Geschichte«. Er richtete sein Augenmerk auf die Stummfilmstudios in Hollywood und brandmarkte Charlie Chaplin als heimlichen Kommunisten. Seiner Alma Mater Harvard warf er vor, Sympathisanten der Kommunisten wie Felix Frankfurter in ihren Reihen zu beherbergen. Er warnte davor, dass die Initiative zur Anerkennung Russlands im Senat von in Amerika tätigen Komintern-Agenten ausgehe. [100]  
    Die Bestrebungen zur Anerkennung Russlands kamen zum Erliegen; sie sollten ein ganzes Jahrzehnt lang ruhen. Das Gegenargument schien simpel: Warum ein Regime anerkennen, das den Sturz der Vereinigten Staaten im Sinn hatte?
    Doch im Augenblick war es wahrscheinlicher, dass die amerikanische Regierung durch Korruption in den eigenen Reihen zu Fall gebracht wurde. Und ihr verrottetes Zentrum waren das Justizministerium und das Bureau of Investigation.
    »Eine Geheimpolizei«
    Ein Pistolenschuss in der Hotelsuite des Justizministers markierte den Anfang vom Ende. Am 30. Mai 1923 bei Tagesanbruch jagte sich Jess Smith, Mitbewohner und rechte Hand Daughertys, im Wardman Park Hotel eine Kugel durch den Kopf. Ihr Nachbar von unten – William J. Burns, der Direktor des Bureau of Investigation – war sofort zur Stelle und traf am Tatort die nötigen Vorkehrungen. Aber den Suizid konnte er nicht geheim halten.
    Drei Wochen danach verließ Präsident Harding Washington zu einem langen Sommerurlaub. Er reiste quer durchs Land an den Pazifik und begab sich

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