FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Juristisch gesehen waren Homosexualität und Kommunismus ein Grund für die sofortige Entlassung aus dem amerikanischen Staatsdienst – und aus den meisten anderen Beschäftigungsverhältnissen. Kommunisten und Homosexuelle, so die gängige Ansicht, führten ein heimliches und zersplittertes Leben. Beide bewegten sich in geheimen Untergrundkreisen. Sie benutzten eine verschlüsselte Sprache. Und wie seine Kollegen glaubte auch Hoover, dass sie für die sexuelle Erpressung durch ausländische Geheimdienste besonders anfällig waren. [257]
Die FBI-Agenten waren dieser Bedrohung gegenüber neuerdings wachsam. »Die Sowjets wussten damals, dass ein Staatsbediensteter, der homosexuell war, seine Stelle verlor«, sagte John T. Conway, der in der Washingtoner Dienststelle des FBI im Bereich der sowjetischen Spionage arbeitete. Conway ermittelte gegen einen Beamten im Außenministerium, der im Verdacht stand, einen jungen, blonden, gutaussehenden KGB-Offizier in einer Schwulenbar zu treffen. »Es war ein fürchterlicher Auftrag«, sagte er. »Eines Abends beobachteten wir, wie er einen Jungen mit in seine Wohnung nahm, der die ganze Nacht dort blieb. Am nächsten Tag gelang es uns, den Jungen zu einer Aussage zu bewegen, und dieser Typ im Außenministerium war seinen Job los.« [258]
Am 20. Juni 1951, weniger als vier Wochen nachdem der Fall »Homer« aufgeflogen war, leitete Hoover das »Sex Deviates«-Program zur Bekämpfung »sexueller Abweichler« ein. Universitäten und die einzelstaatliche und örtliche Polizei wurden vor der subversiven Bedrohung durch Homosexuelle gewarnt, die man aus allen Regierungsbehörden, höheren Bildungseinrichtungen und aus den Strafverfolgungsbehörden des Landes hinauszudrängen versuchte. Die FBI-Dossiers zu Homosexuellen schwollen in den folgenden 25 Jahren auf mehr als 300000 Seiten an, bevor sie vernichtet wurden. Erst 60 Jahre später, 2011, konnten bekennende Homosexuelle beim US-Militär Dienst tun. [259]
Im Frühjahr und Sommer 1951 brachte Hoover auch das neue geheime und landesweite Responsibilities Program auf den Weg. Laut Gesetz durfte das FBI seine Ermittlungsakten ausschließlich an die Exekutive weitergeben. Hoover hatte diese Schranke bereits durchbrochen, indem er Dokumente an ausgewählte Kongressabgeordnete weiterleitete. Im Rahmen des Responsibilities Program wurden nun Gouverneure, Bürgermeister und andere Politiker auf einzelstaatlicher und lokaler Ebene gezielt mit Informationen über Subversive gefüttert. Die Special Agents, die die Regionalbüros des FBI leiteten, fungierten als Mittelsmänner zwischen Hoover und den Gouverneuren der Bundesstaaten. Mit Hilfe des Responsibilities Program wurden in den folgenden vier Jahren staatliche Universitäten, Colleges und Schulen von Linken gesäubert. Hunderte wurden aus dem öffentlichen Dienst entlassen, bevor der publicityhungrige Bildungsbeauftragte von Colorado das Geheimprogramm an die Öffentlichkeit brachte. Die beiden Programme führten zur Entlassung zahlloser Lehrer überall in Amerika.
Hoover sprach das Thema Homosexualität bei seinem ersten Treffen mit Trumans neuem CIA-Direktor Walter Bedell Smith an, einem Vier-Sterne-General, der im Zweiten Weltkrieg Eisenhowers Stabschef gewesen war. General Smith galt als Eisenhowers Mann fürs Grobe: das Raubtiergebiss hinter Eisenhowers freundlichem Grinsen. Als Trumans Botschafter in der Sowjetunion hatte er Stalin Auge in Auge gegenübergesessen. Er war ein starker, leicht aufbrausender Charakter, der nichts durchgehen ließ. Die beiden Männer verstanden sich auf Anhieb. Sie hatten vieles gemeinsam.
Sie trafen sich in einem Chambre séparée des Mayflower Hotel zu einem informellen Mittagessen. Nach dem üblichen Austausch von Höflichkeiten schnitt Hoover das Thema Homosexualität in der CIA an. »General Smith wirkte ausgesprochen betroffen, wie weit verbreitet diese Disposition war«, schrieb Hoover. »Er wollte wissen, wie hoch der Prozentsatz der Bevölkerung mit derartigen Neigungen war.« Hoover erwiderte, er werde ihm eine vom FBI angefertigte Zusammenfassung von Alfred S. Kinseys Werk Das sexuelle Verhalten des Mannes schicken, demzufolge einer von zehn Männern Homosexualität praktiziere – ein sehr viel höherer Anteil, als die meisten Amerikaner glaubten. [260]
Hoover und General Smith hatten allerdings größere Sorgen. Sie mutmaßten, dass die CIA von den Sowjets unterwandert war. Ausnahmslos alle Guerilla-Operationen, die
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