FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
ähnliches Bild von Sullivan: »Kühn, brillant, strotzend vor Selbstvertrauen; er hatte etwas Draufgängerisches. Sullivan besaß mehr Ehrgeiz, als für einen Mann gut war, dazu ein leichtes Defizit, wenn es um Prinzipientreue ging. Jahrelang war COINTELPRO seine ganz eigene Domäne, die er zumeist mit Geschick und Wagemut, manchmal aber auch mit heilloser Unbekümmertheit führte.« Manche in den oberen Etagen des FBI fanden, die Kommunistische Partei sei so demoralisiert, dass »es nicht länger wert war, sich darüber Sorgen zu machen«, meinte DeLoach. »Allmählich musste man sich eher um den Architekten von COINTELPRO – Sullivan – Sorgen machen.« [297]
Sullivans quirliges Talent für Palastintrigen und sein politischer Scharfsinn waren Urkräfte, die das FBI, die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten und die amerikanische Präsidentschaft zwei Jahrzehnte lang prägten. Um Haaresbreite wäre er nach Hoovers Tod auf dessen Posten nachgerückt – ganz knapp entschied sich Nixon dann doch gegen ihn, woraufhin Sullivan insgeheim den Sturz des Präsidenten mitbetrieb. Am Ende seiner Ära gab Sullivan in einer nichtöffentlichen Senatsanhörung Auskunft darüber, welches Denken das FBI und COINTELPRO antrieb.
Sullivan war eine Falschaussage durchaus zuzutrauen, aber diese Erklärung klang aufrichtig.
»Es ist ein raues, hartes, schmutziges Geschäft und ein gefährliches obendrein. Manchmal konnte es brenzlig werden. Es wurde mit harten Bandagen gekämpft«, sagte Sullivan. Und vom Gesetz war nicht die Rede: »Nicht ein einziges Mal habe ich irgendjemanden, mich eingeschlossen, fragen hören: ›Bewegt sich diese Vorgehensweise, auf die wir uns geeinigt haben, im Rahmen des Gesetzes? Ist sie legal? Ist sie ethisch oder moralisch korrekt?‹ Wir dachten niemals in diese Richtung, denn wir waren Pragmatiker durch und durch. Uns interessierte nur eins: Wird diese Vorgehensweise funktionieren, werden wir kriegen, was wir wollen?«
Sullivan sagte, er und seine Kollegen beim FBI »konnten uns von dieser Denkart, die man uns als junge Männer eingeimpft hatte, nicht befreien«. Sie waren Soldaten im Kalten Krieg. »Diese Denkart, mit der man uns damals, kurz nach Pearl Harbor, indoktriniert hatte, wurden wir nie wieder los […] Es war, als wären wir Soldaten auf dem Schlachtfeld. Wenn ein Soldat einen Feind erschießt, fragt er sich nicht, ob das legal oder legitim oder ethisch richtig ist. Er tut das, was man von ihm als Soldat erwartet. Wir taten, was man von uns erwartete.« [298]
»Wenn er etwas hasste, hasste er es sein Leben lang«
Das FBI hatte jeden prominenten, politisch aktiven Schwarzen in Amerika seit dem Ersten Weltkrieg ausspioniert. Das Ausmaß der Observation schwarzer Führer beeindruckt angesichts der begrenzten Personalausstattung des FBI, der Vielzahl seiner Aufgaben und der Tatsache, dass der Tag nur vierundzwanzig Stunden hat. Hoover war seine ganze Laufbahn lang überzeugt davon, dass hinter der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung von Anfang an der Kommunismus stand.
Besondere Aufmerksamkeit widmete er William Edward Burghardt Du Bois. Der 1868 geborene, hochbetagte Du Bois war 1910 an die Spitze der National Association for the Advancement of Colored People gewählt worden. Die NAACP war die bedeutendste Bürgerrechtsgruppe Amerikas und stand seit dem Zweiten Weltkrieg im Visier des FBI.
Im Frühjahr 1941 wurden geheimdienstliche Ermittlungen zum kommunistischen Einfluss auf die NAACP aufgenommen und 25 Jahre lang fortgesetzt. Die FBI-Außenstelle in Washington öffnete die Akte, nachdem sie von der Marine gebeten worden war, Ermittlungen zu »15 farbige Messejungen« anzustellen, die gegen weitverbreitete rassistische Übergriffe protestiert hatten (die amerikanischen Streitkräfte blieben im Zweiten Weltkrieg nach Rassen getrennt). Das FBI warb einen Informanten an und suchte bei der NAACP nach »Verbindungen zur Kommunistischen Partei«. Vier Monate vor Pearl Harbor beauftragte die FBI-Zentrale Agenten in Oklahoma City, Ermittlungen zur »Dominanz der Kommunistischen Partei« innerhalb der NAACP anzustellen. Sie berichteten von einem »starken Bestreben seitens der Kommunisten, diese Gruppe zu dominieren […] Folglich werden die Aktivitäten der NAACP künftig genau überwacht und untersucht.«
Das wurden sie. Hoover dehnte die Ermittlungen auf ganz Amerika aus. FBI-Informanten unterwanderten Bürgerrechtskonferenzen in mindestens zehn Bundesstaaten und
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