FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
urteilten die Richter am Obersten Gerichtshof, die Regierung habe den Smith Act zu breit ausgelegt, indem sie Worte und nicht Taten – freie Rede statt gewaltsamer Angriffe auf das politische System – für eine Anklage zugrunde legte. Für die Verfolgung amerikanischer Kommunisten wurde damit das Gesetz so gut wie nutzlos. Damit endete ein ganzes Jahrzehnt strafrechtlicher Angriffe gegen die Kommunistische Partei. Im Kampf gegen den Kommunismus war das Recht keine wirksame Waffe mehr.
Die Aufhebung der Urteile schürte Hoovers Zorn und veranlasste ihn zu den kühnsten Attacken, die er je gegen seine Feinde geritten hatte – zu den ehrgeizigsten und zerstörerischsten Operationen in der Geschichte des FBI.
»Werden wir kriegen, was wir wollen?«
Am 18. Mai 1956 nahm der neue Angriffsplan allmählich Gestalt an. Erdacht hatten ihn der Chef der Intelligence Division des FBI, Al Belmont, und sein zuverlässiger Berater William C. Sullivan.
Sie nannten den Plan COINTELPRO, eine Abkürzung für »counterintelligence program«, Spionageabwehrprogramm. Spionageabwehr soll nach gängiger Definition die Bespitzelung durch gegnerische Geheimdienste verhindern. COINTELPRO war mehr als das. Hoover und seine Männer wollten Amerikas Subversive zermürben. Ihre Strategien bekamen durch die Anregungen der Agenten vor Ort den richtigen Schliff, wurden von Sullivan noch verschärft und schließlich von Hoover abgesegnet.
Startschuss für die ersten Operationen war der 28. August 1956. Mit Hilfe der durch Einbrüche, Telefonüberwachung und Wanzen gewonnenen Informationen begann COINTELPRO erst hunderte, dann tausende mutmaßliche Kommunisten und Sozialisten mit anonymen Hassbriefen, angekündigten Steuerprüfungen und gefälschten Dokumenten zu traktieren, die unter den linken Gruppen Misstrauen säen sollten.
Die amerikanische Linke sollte durch Hass, Angst, Zweifel und Selbstzerstörung gelähmt werden. Hierfür bediente sich das FBI kommunistischer Methoden der Propaganda und Subversion. Der öffentliche Ruf und das Privatleben der KP-Mitglieder und all jener, die mit ihnen in Kontakt standen, sollte ruiniert werden.
Insgesamt gab es zwölf große COINTELPRO-Kampagnen gegen das gesamte politische Spektrum, alles in allem 2340 Einzelaktionen. Die meisten Operationen – sofern man deren Akten nicht verbrannt oder geschreddert hatte – waren von Hoover persönlich in blauer Tinte abgezeichnet worden.
»OK. H.«
»Ich stimme zu. H.«
»Ja, und zwar sofort. H.«
Der maßgebliche Kopf hinter COINTELPRO war William Sullivan, jüngst ernannter Leiter des Ressorts Recherche und Analyse in der nachrichtendienstlichen Abteilung des FBI. Geboren 1912 auf einer Farm 55 Kilometer westlich von Boston, Massachusetts, war Sullivan der Anblick brennender, vom Ku-Klux-Klan angezündeter Kreuze auf den Feldern in der Umgebung seiner Heimatstadt vertraut. Diese rassistische, nach dem Bürgerkrieg entstandene Geheimgesellschaft hatte nach dem Ersten Weltkrieg starken Zulauf bekommen. Sullivan war als Lehrer und Finanzbeamter tätig, bevor er vier Monate vor Pearl Harbor ins FBI eintrat.
Er konnte sich noch gut an seine Ausbildung und ideologische Schulung beim FBI erinnern, besonders an die »grandiose Propaganda der Ausbilder: ›Das ist die größte Organisation, die der menschliche Geist je ersonnen hat.‹ Ständig zitierten sie Emerson: ›Jede Institution ist der verlängerte Schatten eines einzelnen Menschen.‹ Das paukten sie uns tagtäglich ein. Sie hämmerten es uns regelrecht ein.« [295] Durch seine Tatkraft und seinen Ehrgeiz stieg er in der nachrichtendienstlichen Abteilung rasch auf. Trotz seiner äußeren Erscheinung – er sah aus wie ein zerzauster Detektiv mit verschlagenem Blick aus einem zweitklassigen Kriminalfilm – war Sullivan bald Hoovers Berater in Fragen der nationalen Sicherheit, Leiter der nachrichtendienstlichen Abteilung des FBI und führender Kopf von COINTELPRO. In dieser streng geheimen, abgeschlossenen Welt, einem FBI innerhalb des FBI, diente Sullivan als Vollstrecker von Hoovers geheimsten und dunkelsten Forderungen.
»Er war ein virtuoser Verwandlungskünstler«, sagte Sullivan über Hoover. »Einer der größten Scharlatane, die das Land je hervorgebracht hat, und das erfordert eine bestimmte Art von Intelligenz, Scharfsinn und Cleverness.« [296]
Hoovers Mann fürs Grobe, sein politisch hochtalentierter, zuverlässiger Stellvertreter Cartha »Deke« DeLoach, zeichnete ein
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