FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Nordosten der Vereinigten Staaten Aufträge für den Oberst erledigt und dabei Nachrichten und Geld überbracht. »Eins muss man sagen: Reino liebte das Leben, aber er besaß genügend Informationen, um uns auf den Fall anzusetzen«, sagte Edmund J. Birch vom FBI, Leiter einer Spionageeinheit, die dem KGB-Oberst Abel auf den Fersen war. Birch ging den Hinweisen nach, die Häyhänen nach einer Flasche Wodka seinem Gedächtnis entlockte. [315]
Der Oberst benutzte den Decknamen »Emil Goldfus« und lebte zur Tarnung als Künstler mit Atelier in Brooklyn. Birch, der eine versteckte Kamera in einem Aktenkoffer bei sich hatte, schlich ihm nach, als er ein Restaurant in Manhattan verließ, und knipste den Verdächtigen mehrmals auf der Straße. Dann machte er eine letzte Aufnahme, sprang in ein Taxi und fuhr in die New Yorker FBI-Zentrale an der Kreuzung Third Avenue/69. Straße. Ein Labormitarbeiter entwickelte den Film. »Wunderschöne Bilder von Bäumen, einer Feuerwache, und dann plötzlich eine perfekte Aufnahme seines Gesichts«, erinnerte sich Birch. Häyhänen identifizierte den Mann auf dem Foto sofort als Oberst Abel.
Das FBI hatte die Aktivitäten der Spione, die ihr bisheriges Leben und ihre alte Identität aufgaben, um dem sowjetischen Staat außerhalb des Schutzes von Botschaften und Konsulaten zu dienen, nie ganz nachvollziehen können. Abel wurde von Birch und seinen Agenten, vier dreiköpfigen Teams, rund um die Uhr observiert. Er tat nie etwas auch nur im Entferntesten Illegales. Das FBI »versuchte herauszufinden, wie sein Apparat in New York aufgebaut war«, sagte Birch. »Wir wurden nicht fündig […] und nach einer Weile befand das FBI schließlich wie immer: Genug ist genug.«
Die Verhaftung Oberst Abels am 21. Juni 1957 war die Spionageaffäre des Jahrzehnts. Für Hoover jedoch wurde sie zu einer unerschöpflichen Quelle der Frustration. Die Beweise des FBI beruhten auf Hörensagen und reichten daher für eine Anklage wegen Spionage nicht aus. Die Verhaftung erfolgte durch Einwanderungsbeamte aufgrund des Foreign Agents Registration Act, einem Gesetz zur Registrierung ausländischer Agenten, zu dem das Justizministerium immer dann griff, wenn ein Spionagefall nicht öffentlich verhandelt werden konnte.
Das FBI musste Abel unbedingt knacken. Agenten »befragten ihn wie verrückt, jeden Tag«, monatelang, so Birch. »Er sagte ihnen nichts.« Die erste Reihe von Verhören fand in einem behelfsmäßigen Einwanderer-Gefängnis bei McAllen, Texas, unweit der mexikanischen Grenze statt. Man setzte Abel in einem »Lager für illegal eingewanderte Mexikaner fest, in einem Gitterkäfig, wo es heiß und ungemütlich war«, berichtete FBI-Agent Ed Gamber, der Abel acht Stunden täglich, sechs Tage die Woche verhörte. »Er war wirklich ein loyaler Freund der Sowjets. Er war ein Gentleman; er war höflich; er war ein netter Kerl – außer man stellte ihm Fragen über den KGB.« [316]
Über zwei Jahre lang wechselten sich Teams von FBI-Agenten ab, um ihn in einer Zelle im Bundesgefängnis von Atlanta zu befragen, einer der schlimmsten Haftanstalten des Landes. »Ich spreche mit Ihnen über alles, was Sie wollen, Kunst, Mathematik, Fotografie, aber fragen Sie mich nicht nach den Hintergründen meiner Geheimdiensttätigkeit«, sagte Abel zu Alden F. Miller vom FBI. »Als ich in New York inhaftiert war, habe ich den Entschluss gefasst zu schweigen. Ich habe damals nichts gesagt und werde auch jetzt nichts sagen.« Das FBI konnte nichts weiter tun, als Abels Gemälde zu fotografieren und auf steganographische Inhalte, also versteckte Botschaften, zu untersuchen. Sie fanden nichts dergleichen.
Erst Jahre später begriff das FBI die Zusammenhänge. Letztendlich fand das Bureau heraus, dass Abel nicht Abel war; und er war auch kein Russe. Sein richtiger Name lautete Willie Fisher, und er wurde 1903 im englischen Newcastle upon Tyne geboren. Er war der lebende Beweis dafür, dass die Sowjets in Amerika ein Spionagenetz hatten, für das Agenten aus der ganzen Welt tätig waren, unter allen möglichen Namen. Gesteuert wurden sie von Meisterspionen in Moskau – mit einer Geduld, von der sich die Amerikaner keinen Begriff machten. Fisher hatte neun Jahre lang unter falscher Identität in den Vereinigten Staaten gelebt; seine Ausbildung und sein erfundener Lebenslauf reichten bis in die frühen 1930er Jahre zurück.
Einen Satz von ihm hatte Birch noch 50 Jahre später im Gedächtnis: »Der amerikanische
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