FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
spielte die Kommunistische Partei im politischen Leben Amerikas keine große Rolle mehr. Sie war durch die Prozesswelle des Justizministeriums Anfang der 1950er Jahre erschüttert und anschließend fünf Jahre lang von Untergrundeinheiten des FBI zermürbt worden. Gespalten durch Chruschtschows Abrechnung mit der Diktatur Stalins 1956 versetzten ihr die ersten COINTELPRO-Aktionen den endgültigen Schlag. Die Partei hatte seit dem Zweiten Weltkrieg mindestens drei Viertel ihrer Mitglieder verloren. Es gab nur noch etwa 22000 eingetragene Kommunisten. Eine Vielzahl von ihnen waren Undercover-Agenten und verdeckte Informanten des FBI, der Großteil jedoch pensionierte Überlebende der Razzien gegen die Kommunisten in den 1920er Jahren.
Hoover musste die Partei weiterhin als tödliche Bedrohung darstellen. Das FBI brauchte einen großen Feind, um seine Macht zu erhalten und sich den Rückhalt des amerikanischen Volks und seines Präsidenten zu sichern.
Das Einzige, wovor Hoover Angst hatte, waren undichte Stellen. Ihnen galt seine ständige Sorge. Er befürchtete, durch die Enthüllung seiner Geheimdienstoperationen kompromittiert zu werden. Der internen Kontrolle des FBI vertraute er nicht. Fälle, die seinen Ruf beschädigen konnten, behielt er scharf im Auge. Die geheimdienstlichen Ermittlungen sollten öffentliche Anerkennung bringen – Erfolge auf dem Feld der nationalen Sicherheit, die Schlagzeilen machten. Und dafür war die Engelsgeduld nötig, die Hoover bisher ausgezeichnet hatte.
»Der amerikanische Geheimdienst steckt noch in den Kinderschuhen«
Ein betrunkener sowjetischer Spion namens Reino Häyhänen spazierte im April 1957 in die Amerikanische Botschaft in Paris. Er sei ein KGB-Offizier und fünf Jahre in den Vereinigten Staaten aktiv gewesen. Häyhänen war von New York nach Moskau zurückbeordert worden und fürchtete jetzt zu Recht um sein Leben, denn er hatte es vermasselt. Laut Auftrag hätte er dem kommunistischen Untergrund in Amerika 5000 Dollar übergeben sollen. Stattdessen war er auf Sauftour gegangen und hatte sich ein Flugticket nach Paris gekauft – ohne Rückflug. Der Leiter des CIA-Büros in Paris entschied, ihn zurück nach New York zu befördern und dem FBI zu übergeben. Das FBI ließ ihn in ein Krankenhaus in Staten Island einliefern.
»Es hieß, er sei nicht ganz richtig im Kopf«, erinnerte sich Special Agent Philip C. Mogen. [311]
Geboren in der Nähe Leningrads, war Häyhänen in den ersten Monaten des Zweiten Weltkriegs mit 20 Jahren vom sowjetischen Geheimdienst rekrutiert worden. Nach dem Krieg strickte der KGB für ihn eine falsche Identität, die er verinnerlichte. Nach fünfjähriger Schulung war seine neue Lebensgeschichte perfekt, inklusive eines gefälschten amerikanischen Reisepasses. [312] 1952 war Häyhänen auf der Queen Mary nach Amerika gekommen und danach als Kurier tätig. Er beförderte verschlüsselte Nachrichten auf Mikrofilm in ausgehöhlten Münzen, Batterien, Füllfederhaltern, Bleistiften und Schrauben. Er deponierte geheimdienstliche Nachrichten in toten Briefkästen – Verstecke in den Parks und auf den Bürgersteigen New Yorks – und holte sie von dort ab.
Gegenüber dem FBI identifizierte er seinen Vorgesetzten als Michail Swirin, der die sowjetische UN-Delegation geleitet hatte. Das FBI besaß umfangreiche Kenntnisse über sowjetische Diplomaten, die als KGB-Spione tätig waren; in den späten 1950er Jahren wurden 16 von ihnen entlarvt. Aufgrund ihrer diplomatischen Immunität konnte keiner von ihnen verhaftet werden, doch alle wurden vom Außenministerium wegen Spionage ausgewiesen. [313] Bis zum Zweiten Weltkrieg besuchte Swirin mehrmals die USA, aber 1957 verließ er New York für immer.
»Das FBI behielt die Aktivitäten in der Sowjetischen Botschaft und die Reisen der Botschaftsmitarbeiter immer scharf im Auge«, sagte der US-Diplomat William D. Morgan. »Sie konnten nicht sagen, dass sie die Informationen Abhörmaßnahmen verdankten, das hätten sie niemals zugegeben […] Wenn man den Mann dabei erwischte, wie er einen verdächtigen Briefkasten oder Laternenpfahl kontrollierte – mit anderen Worten, bei einer Tätigkeit, die ernsthafte Hinweise darauf gab, dass er ›Aufgaben erledigte, die nicht im Einklang mit seinem Diplomatenstatus standen‹ –, reichte das natürlich, um ihn zur Persona non grata zu erklären.« [314]
Häyhänen kannte seinen zweiten KGB-Kontaktmann als Oberst Rudolf Abel. Er hatte im
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