FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Geheimdienst steckt noch in den Kinderschuhen.«
Der Fall Abel brachte Eisenhower in Rage. Bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats mit dem Vizepräsidenten und dem Justizminister erklärte er voll Zorn und Enttäuschung: »Wenn wir einen sowjetischen Spion entlarvt haben, müssten wir all unsere geheimdienstlichen Quellen und Methoden aufdecken, um seine Verurteilung zu erreichen. Das FBI kann im Grunde genommen nicht mehr tun, als Spione unter Beobachtung zu stellen.« Er werde den Fall Abel nie vergessen, meinte er grummelnd. [317] Das tat er auch nicht. Und der Oberst schwieg beharrlich. Fünf Jahre später tauschten ihn die Vereinigten Staaten gegen Francis Gary Powers, den verhafteten amerikanischen Piloten eines abgeschossenen U-2-Spionageflugzeugs, aus.
Die Geschichte hatte für das FBI ein Nachspiel, denn sie bestärkte Hoover darin, die Operation mit dem Codenamen Solo, das kühnste Projekt zur Unterwanderung der Sowjetunion, voranzutreiben.
Solo
Die wertvollsten Geheimagenten des FBI im Kalten Krieg waren zwei Brüder, Morris und Jack Childs. Auf ihrer Arbeit basierte eine Operation des FBI, deren große Risiken durch die noch größeren Erfolgsaussichten gerechtfertigt schienen.
Morris Childs war ein russischer Jude. Er wurde 1902 als Moische Tschilowski in der Nähe von Kiew geboren und wanderte 1911 nach Amerika aus. In den 1930er und 1940er Jahren wurde er eine wichtige Figur in der Kommunistischen Partei und Herausgeber der Parteizeitung Daily Worker . 1948 kam es zum Bruch mit der Partei. Drei Jahre später nahm das FBI im Rahmen eines neuen Programms namens TOPLEV mit ihm und seinem sechs Jahre jüngeren Bruder Jack Kontakt auf. Hochrangige Mitglieder und Funktionäre der Kommunistischen Partei sollten dazu überredet werden, für das FBI als Informanten zu arbeiten. Jack Childs, ein geborener Gauner und Mittelsmann bei den geheimen Finanzoperationen der Partei, ging bereitwillig auf das Angebot ein. Er überredete Morris, ebenfalls als kommunistischer Geheiminformant für das FBI zu arbeiten.
Morris Childs machte als Geheimagent Karriere. Er gewann das Vertrauen der Parteiführung. Im Sommer 1957 schlug man ihn als internationalen Abgesandten vor, um die direkten persönlichen, politischen und finanziellen Verbindungen zum Kreml neu aufzubauen. Wenn Moskau zustimmte, bot sich dem FBI die Gelegenheit, einen Spitzel in die obersten Führungsgremien der Sowjetunion einzuschleusen. Morris Childs würde Hoover als Sekretär der Kommunistischen Partei der USA für auswärtige Angelegenheiten Bericht erstatten.
Hoovers Leiter der nachrichtendienstlichen Abteilung, Al Belmont, konnte seine Begeisterung kaum zügeln. »Wir versuchen bereits seit einer Weile, konkrete Beweise dafür zu finden, dass die Kommunistische Partei Amerikas von der Kommunistischen Partei in Moskau Befehle erhält und von dort gesteuert wird«, schrieb Belmont am 30. August 1957. »Mit solchen Beweisen bekämen wir nicht nur etwas gegen die Kommunistische Partei in die Hand, sondern es würde auch den Ruf des Bureau als Nachrichtendienst enorm stärken«. [318]
Am 24. April 1958 nahm Morris Childs den TWA-Flug 824 nach Paris, die erste Etappe seiner langen Reise nach Moskau. Er war vom Kreml eingeladen worden und traf sich in den folgenden acht Wochen mehrmals mit den Parteiführern. Wie er erfuhr, sollte sein nächstes Ziel Peking sein. Am 6. Juli hatte er eine Audienz beim Vorsitzenden Mao Tse-tung. Planten die Vereinigten Staaten, in den Krieg in Südostasien einzugreifen?, wollte Mao von ihm wissen. Falls ja, war China wie bereits im Korea-Krieg zum Kampf bereit. »In Asien könnte es viele Koreas geben«, prophezeite Mao.
Im gleichen Sommer, als er zu weiteren Gesprächen mit Parteiführern und dem KGB nach Moskau zurückkehrte, erhielt Morris eine offizielle Einladung, am 21. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion teilzunehmen. Außerdem stellte man ihm die Zahlung von 348345 Dollar in bar an die Kommunistische Partei Amerikas in Aussicht; das Geld sollte ihm im Laufe der kommenden Monate persönlich durch einen sowjetischen Delegierten bei den Vereinten Nationen in einen Restaurant in Queens, New York, übergeben werden.
Auf dem Parteitag in Moskau im Januar und Februar 1959 traf Morris kommunistische Führer aus der ganzen Welt und hochrangige Nachrichtendienstoffiziere, die mit der Spionage gegen die Vereinigten Staaten betraut waren. Obwohl die Reisen anstrengend waren und seine
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