Federleicht & Bittersüß: 15 Gay - Romanze Kurzgeschichten
stahlblau. Die Hitze
flirrt und ist kaum zu ertragen. Fast 40 Grad im Schatten, aber hier,
zwischen den Gebäuden, ist es kühl. Das türkise Wasser plätschert
auf die steinernen Stufen. Alt sind sie, das Wasser hat sie rund
gewaschen. Die Jahrhunderte gehen nicht spurlos an ihnen vorbei.
Ebenso das eiserne, geschwungene Gitter, das stark verrostet ist.
Kundiges Handwerk, unter großen Mühen erschaffen. Ganz Venedig ist
alt und umgeben von einem ganz besonderen Zauber. Ich kann ihn
spüren. Magie, die in der heißen Luft liegt.
Gleich wirst du
kommen. Ich warte ... auf deine Ankunft. Deine Gondel wird den
schmalen Kanal hinunter gleiten.
Du wirst eine Maske
tragen. Sie verbirgt dein Gesicht. Vor fremden Blicken!
Aber ich kenne dein
Gesicht. Ich kenne es genau. Jede Linie, einfach alles. Ich weiß,
wie du die Lider senkst, wenn du mich lustverhangen anblickst. Ich
kenne die Falten auf deiner Stirn, die erscheinen, wenn ich deine
Härte in meinem Mund verschwinden lasse. Du kannst dich kaum von dem
Anblick lösen, wenn ich mit der Zunge deine Spitze umrunde und in
die kleine Öffnung stupse ...
Venedig, die Stadt
der Liebe. Die Stadt der heimlichen Sehnsüchte. Diese Stadt, in der
man die Geschichte spüren kann, lebendig spüren kann. An jeder
Ecke, an jeder Treppe, von jedem der tausend Balkone weht sie einem
entgegen. Geschichte!
Wie passend sind da
unsere Namen. Romeo und Julian!
Romeo, oh Romeo ...
Spürst du es auch?
Der, der du in einen Umhang gehüllt auf dem Weg zu mir bist. Ich bin
dein Geliebter!
Heimlich ist unsere
Liebe nicht, aber hier, in dieser Stadt, ist sie frischer,
aufregender und bedeutsamer.
Seit wir hier sind,
du in einem Hotel und ich in einem anderen, erleben wir unsere
Leidenschaft neu. Du kommst mich besuchen, stehst unter meinem
Balkon, auf einer der zahlreichen kleinen und großen Treppen, die es
hier gibt. Ein Labyrinth an Gängen, Hinterhöfen, Kanälen und alten
steinernen Stufen.
Wer hier wohl den
Weg seines Lebens gegangen ist? Wer lief gehetzt durch die Gassen?
Wer war glücklich und wer eilte, von Heimlichkeit getrieben, in die
Arme seines Geliebten?
Mein Bauch kribbelt
vor Erwartung, schlägt Purzelbäume.
Ich weiche in den
dunklen Gang zurück, verstecke mich. Deine Gondel naht. Atemlos
lehne ich mich an die kühle Mauer. Ich genieße das Ziehen in meinem
Unterleib. Meine Gedanken sind bei dir, deinen heißen Lippen, die
mich gleich gierig küssen werden.
Sie werden fest auf
meinen liegen. Deine Zunge wird sich einen Weg in meinen Mund suchen,
ihn finden und hungrig erobern.
Geschickt lenkt der
Gondoliere das dunkle Gefährt durch die schmale Wasserstraße.
Schwarzes Holz mit feinen Schnitzarbeiten, goldenen Verzierungen. Man
nimmt Platz auf ledernen Polstern. Ich schaue um die Ecke, sehe, wie
du dich würdevoll erhebst. Dir gefällt die Rolle des maskierten
Edelmanns.
Prachtvoll ist deine
Maske, geschmückt mit schlanken, schwarzen Federn. Nur dein
sinnlicher Mund ist zu sehen. Du leckst dir über die Lippen. Der
Gondoliere hilft dir an Land. Du kommst auf mich zu, streckst deine
Hand nach mir aus. Ich lächele, drehe mich um und laufe vor dir
davon, die schmale Gasse hinunter.
Meine Schritte
hallen von den Wänden wieder. "Julian warte ...!", rufst
du. Hinter der nächsten Ecke warte ich auf dich, will mich gerne
finden lassen.
Du hast keine Eile,
weißt, dass ich dich will, dass ich nur spiele. Ein aufregendes
Spiel, dessen Ausgang offen ist.
Sicher ist nur, dass
wir uns lieben werden. In der Stadt der Liebe!
In der Stadt, deren
Zauber uns gefangen nimmt. Der Stadt, in der die Geschichte wie in
keiner anderen weiter lebt.
"Romeo, oh
Romeo war es die Nachtigall oder die Lerche, die hier ihr Lied
ertönen lässt?"
Keine von beiden sah
ich. Nur die Tauben sind allgegenwärtig hier.
Und sollt ich
sterben, dann hier mit dir, doch lass uns leben und hungrig von der
Liebe kosten, die hier, wie das Wasser, die Stadt umgibt.
Ende ...
Stille ...
Ich komme an diesen
Ort, um die Stille zu genießen. Hier drinnen ist es kühl, angenehm
kühl. Meine Gedanken werden geerdet. Ich kann mich auf das
Wesentliche konzentrieren. Auf mich und auf das, was ich will.
Meine Schritte
hallen laut von Decke und Wänden wieder, als ich mich auf die Kerzen
zubewege.
Die Kerzen, die man
anzündet, um an jemanden zu denken. Sie leuchten warm, spenden diese
Wärme, die ich spüre, wenn sich meine Gedanken um dich drehen.
Ich werfe fünfzig
Cent in den kleinen, hölzernen
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