Federschwingen
gewesen, warum Zamael ihn in einem Anflug von Zorn hatte umbringen wollen. Während Zamael gar nicht mehr an ihren Zwist gedacht hatte, hatte Dantalion seinen Job übergenau genommen. Dass ihm das möglich gewesen war, imponierte Zamael ungemein. Von dem irren Gefühl, hilflos in dem heißen und schmalen Körper eingepfercht zu sein, völlig zu schweigen. Zamael biss sich auf die Unterlippe und konzentrierte sich angestrengt auf das Schauspiel unter sich, weil er merkte, dass er durch die bloße Erinnerung hart wurde. Und mit jeder Sekunde, die er Dantalion beobachtete, wurde sein Verlangen nach ihm stärker.
Vor lauter Schwärmerei bemerkte er fast zu spät, dass Dantalion bei den Bruderschaftsmitgliedern ganze Arbeit geleistet hatte und die vier Menschen in extremer Gefahr schwebten, von ihm in höllischer Wut erschlagen zu werden.
Als absehbar war, dass Dantalion den Kampf eindeutig für sich entschieden hatte, die Menschen aber noch gerade so lebten, entfaltete Zamael seine roten Schwingen und ließ sich vom Dach in die Tiefe fallen, um nach einem kurzen Schwebflug zwischen Dantalion und den Menschen zu landen.
„Denkst du nicht, dass es jetzt reicht, Dantalion? Die Jungs haben eindeutig genug.“
„Zamael!“, zischte Dantalion abfällig, als wäre sein Name eine böse Verfluchung.
Zamael wandte sich zu den Menschen um und befahl: „Geht! Und zwar schnell!“
Einen Moment lang wirkten sie irritiert, zögerten, dann nahmen sie die Frau zwischen sich, die schwer verletzt worden war. Mit leichtem Schmunzeln vernahm er das böse Grollen, das sich tief aus Dantalions Kehle zu pressen schien, und erschauderte unwillkürlich. Oh, wie sehr ihn das an ihr kleines Abenteuer erinnerte … Zamael atmete tief durch und ermahnte sich, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
„Lass sie ziehen, Dantalion. Sie haben ohnehin keine Chance gegen dich.“ Schmeicheleien wirkten nicht nur bei Menschen gut , Dämonen waren ebenfalls dafür empfänglich. Die meisten jedenfalls.
„Schön, dass du das auch einsiehst.“ Dantalion klang nach wie vor aufgebracht und aggressiv, trotzdem entdeckte Zamael in den eisblauen Augen einen beschwichtigten Schimmer aufleuchten. „Sagt eurer Exekutive, sie soll uns in Ruhe lassen. Der Übergriff war unnötig!“
Zamael war sich nicht sicher, dass die Vernichtung eines Dämons unnötig war, doch er hielt wohlweislich den Mund darüber. Aus den Angelegenheiten der Bruderschaft hatten sich die himmlischen Heerscharen stets herausgehalten, da sie hofften, dass diese Menschen das Zünglein an der Waage zu ihren Gunsten waren. Aber weder unterstützten sie die Bruderschaft, noch stifteten sie sie zu ihren Aktionen an, das stand ihnen nicht zu. Irdische Gruppen sollten ausschließlich von Menschen geführt werden.
„Die Bruderschaft ist nicht unsere Exekutive“, widersprach er.
„Aber sie arbeiten mit euch zusammen.“
„Nein.“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Sie stehen auf unserer Seite. Glauben sie. Mehr nicht. Wir halten uns an den Nichtangriffspakt.“
Dantalion schnaubte verächtlich. „Ja, das haben wir gesehen .“
„Wir haben nicht euch direkt angegriffen.“
„Ach so, sicherlich wusstet ihr nicht, dass Morten zu Seere gehört.“ Der Sarkasmus triefte nur so aus Dantalions Worten.
Zamael biss sich auf die Unterlippe. Er konnte Dantalion beim besten Willen nicht sagen, dass die Idee zu Rykers Entführung ursprünglich aus dämonischen Reihen gekommen war. Zwar hoffte er, dass Dantalion keinen telepathischen Angriff auf ihn unternehmen würde, trotzdem verdrängte er jeden bewussten Gedanken und klammerte sich vorsorglich an Choräle, die er im Kopf durchsang. Wodurch er allerdings auch der Fähigkeit zu antworten beraubt wurde.
Dantalion schien gar nicht mit einer Antwort zu rechnen. Er breitete seine glänzend schwarzen Schwingen aus und schoss mit einem kräftigen Flügelschlag in die Höhe. Zamael sah ihm seufzend nach, bis der kleine Dämon in der zunehmenden Dämmerung nicht mehr auszumachen war. Rasch vergewisserte er sich, dass die vier Menschen in Sicherheit waren, und flog anschließend mit wild klopfendem Herzen und einem prickelnden Gefühl im ganzen Körper nach Hause.
Kaum war Zamael durch die Haustür geschritten, lief ihm bereits Erael in die Arme. Anscheinend machte er, Zamael, einen ungewöhnlich gut gelaunten Eindruck, denn sein Kollege lächelte ihn an.
„Du wirkst erfreut. Warst du erfolgreich?“, fragte Erael freundlich. Erael selbst
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