Federschwingen
von den Wänden wider.
Erst ein Klopfen ließ ihn verstummen.
„Was ist denn?“, fragte er mit verstopfter Nase.
Die Tür öffnete sich und Jelial lugte herein. „Bei allen Himmeln, was hast du mit dir gemacht?“, entfuhr es ihr in echtem Entsetzen.
Erael weinte weiter und schüttelte den Kopf. Er wollte nicht reden. Nicht mit ihr. Aber sie verlangte gar keine Erklärung, sondern trat hinter ihn und fuhr ihm durch den gekürzten Restbestand seiner Haare.
„Eigentlich ist das gar nicht so schlecht“, sagte sie sanft. „Komm, setz dich auf den Wannenrand, ich schneide es dir nach. Weißt du, dass diese Länge derzeit topaktuell ist? Ich mache dir einen invertierten Bob, was hältst du davon?“
Wenn es nach Erael ging, hätte sie ihm eine Vokuhila machen können, es wäre ihm gleichgültig gewesen.
Jelial war hart und streng, aber dennoch liebevoll, wenn sie wollte.
Sie verlangte keine Erklärung, sondern war einfach da. Sie holte eine Haarschere aus ihrem Zimmer und sorgte dafür, dass aus seinen hässlichen, ausgefransten Zotteln wieder eine Frisur wurde. Dabei sprach sie ruhig auf ihn ein, redete über das Weltgeschehen, das Wetter – es sollte demnächst noch einmal warm werden – und über Frisurentrends.
„Vorne lass ich es ein wenig länger als hinten, das ist angesagt. Und ich denke, das steht dir gut.“
Damit war klar, dass ein ‚invertierter Bob‘, wie sie es nannte, eine umgekehrte Vokuhila war. Also hinten kurz, vorne lang. Als sie mit ihm fertig war, schaute Erael sie fragend an. „Kann ich aufstehen?“
„Du kannst immer wieder aufstehen“, sagte sie und ihm war klar, dass sie das nicht nur wörtlich meinte. „Schau dich an. Du siehst wunderschön aus. Es steht dir ausgezeichnet.“
Tatsächlich wirkten seine Haare viel voluminöser, da sie kürzer waren. Vorn reichten ihm die vordersten Strähnen bis auf die Schlüsselbeine, hinten endeten die Spitzen auf Kinnhöhe.
„Du solltest ins Friseurgeschäft einsteigen.“
Jelial lachte leise und strich ihm über das Gesicht. „ Nein, das mache ich einzig für gute Freunde und meine besten Mitarbeiter.“
„Danke.“ Erael lächelte schwach, doch es fühlte sich nicht mehr ganz so falsch auf seinen Lippen an. Diese Rosskur schien geholfen zu haben, obwohl er bisher nur von Frauen gehört hatte, die sich ihre Haare schnitten, wenn sie Liebeskummer hatten.
Jelial nickte und schickte sich an, das Badezimmer zu verlassen . An der Tür drehte sie sich noch einmal zu ihm um. „Wenn du jemanden zum Reden brauchst, du weißt, wo ich bin.“
Nett. Heute bot ihm anscheinend jeder ein offenes Ohr an. Wobei er sich nicht sicher war, dass sie tatsächlich hören wollte, was er fertiggebracht hatte. Nein, da war er bei Zamael an der besseren Adresse.
„Danke“, wiederholte er und nickte leicht. Jelial schloss die Tür von außen und Erael sank noch einmal auf den Rand der Badewanne. Auf dem Boden lagen die langen Strähnen, die der Schere zum Opfer gefallen waren. Kopfschüttelnd fuhr er sich durch den verbliebenen Rest. Oh Mann, da hatte er ganz schönen Mist gebaut!
Seufzend stand er auf und marschierte in sein Zimmer, um sich anzuziehen. Nur im Bademantel wollte er nicht zu Zamael gehen. Das wäre eine Einladung, gedruckt auf Goldpapier, für den Engel der Lust. Da waren eine Jeans und ein Rollkragenpullover eine eher sichere Garderobe. Als er seine Mähne aus dem Pullover streichen wollte, schnaubte er genervt. Es würde wohl eine Weile dauern, bis er sich an diese Kurzhaarfrisur gewöhnt hatte.
Sacht klopfte er an Zamaels Tür und kam auf das fröhliche „Jaahaa!“ hin in den Raum.
Kaum hatte er sich umgese hen, musste er unwillkürlich grinsen. Zamael hatte alles vorbereitet: Eine riesige Schüssel stand auf dem Couchtisch und Chips türmten sich darin zu einem gewaltigen Berg auf. Auf einem kleinen Beistelltischchen befanden sich mehrere Flaschen mit den verschiedensten Alkoholika und die jeweils passenden Gläser. Eines musste man Zamael neidlos lassen: Stil hatte er.
„Ich habe schon auf di...“ Zamael starrte Erael an und verstummte. Dann platzte er heraus: „Was hast du mit deinen Haaren gemacht?“ Aus einem Reflex heraus fuhr Eraels Hand zu den Spitzen über seinem Rollkragen.
„Ich w ar sauer.“ Oh ja, gute Erklärung, schalt er sich gedanklich. Man schnippelt sich ja jedes Mal die Haare ab, wenn man wütend war. Zamael schien ihn jedoch zu verstehen.
„Aha. Na ja, du musst damit rumlaufen.“ Der
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