Federschwingen
brummte genervt. Er sah aus wie ein gekochter Hummer.
„Na wunderbar“, murm elte er und m usste dann lachen. Wenigstens hatte er seinen Humor nicht verloren.
Eines hatte er aus der Vergangenheit gelernt. Egal, wie schlecht es einem ging, irgendwann würden die Wunden heilen, egal wie tief sie waren. Dieses Mal hatte er dafür gesorgt, dass Dantalion ihn nicht so sehr verletzen konnte, dass er sich selbst verlor. Ein bisschen war er stolz auf sich. Er hatte die Stärke gehabt, sich Dantalion nicht blind zu unterwerfen, ohne Rücksicht auf seine eigenen Gefühle zu nehmen. Dieses Mal hatte er sich selbst geschützt, ehe ernsthafter Schaden angerichtet war. Die Sache mit Chamuel war vielleicht doch für etwas gut gewesen. Sie hatte ihn etwas gelehrt, das er jetzt anwenden konnte.
Damals hatte sein verflossener Liebhaber ihm gesagt, dass alles irgendwann einen Sinn machen würde, dass er daraus erstarkt hervorgehen würde und dass er das nicht nur für sich getan hätte.
Seinerzeit hatte er ihn wüst beschimpft und ihm kein Wort geglaubt. Aber offensichtlich hatte Chamuel recht behalten, so ungern Erael das zugeben wollte. Wer einmal verletzt wurde, wusste sich vor weiteren Verletzungen zu schützen, so wie er das nun tat. Zum ersten Mal empfand Erael so etwas wie Verständnis für Chamuel. Dankbar war er ihm dafür aber nicht. So weit kam es noch! Immerhin hatte Chamuel seine derzeitige Position ausgenutzt, um ihn, Erael, in seiner Nähe zu haben und ihn sukzessiv zu verführen. Schließlich hatte Erael seinen Gefühlen nachgegeben und war mit ihm im Bett gelandet. Es war eine schöne Zeit gewesen, zu schön, wie er inzwischen wusste. Zu schön, um wahr zu sein. Es hatte nicht lange gedauert, bis er eines Tages nichts ahnend zu Chamuel gegangen war, um ihm einen Überraschungsbesuch abzustatten. Himmel, ihn hatte die Sehn sucht getrieben, nichts anderes.
An diesem Punkt seiner Erinnerungen schloss Erael gequält die Augen . Viel zu deutlich, beinahe überscharf, waren die Bilder der folgenden Minuten in seinem Gedächtnis verankert. Chamuel hatte mit einem anderen Engel im Bett gelegen und ihr die Worte zugeraunt, der Erael am Vorabend noch zu hören bekommen hatte. Eigentlich wollte Erael sie an den Haaren aus Chamuels Bett zerren, doch er war ähnlich erstarrt gewesen wie heute, als er versäumt hatte, im richtigen Moment die Zeit zurückzudrehen. Stattdessen war er – ebenfalls wie heute – mit hocherhobenem Kopf gegangen. Damals war er zurückgekehrt, ein weiterer Fehler, den er heute nicht machen würde. Er war erneut zu Chamuel gegangen und hatte ihn angeschrien. Hatte geheult. Hatte gebettelt. Er schämte sich jetzt noch in Grund und Boden, wenn er daran dachte.
Warum eigentlich geriet er mit unfassbarer Zielgenauigkeit immer an die Falschen? Und vor allem: Wie lange würde es diesmal dauern, bis er darüber hinweg war? Bei Chamuel waren es zweihundert Jahre gewesen. Ein Viertel seines bisherigen Lebens, das war entschieden zu lang! Dantalion würde ihm hoffentlich nicht so lange nachhängen.
Energisch band er seinen Bademantel zu und wickelte sich ein Handtuch um den Kopf. Eigentlich würde er sein Haar lieber an der Luft trocknen lassen, aber Jelial würde ihn töten, wenn er auf dem Weg in sein Zimmer alles volltropfte. Nein, würde sie nicht, aber er dürfte sich eine gewaltige Gardinenpredigt anhören, worauf er überhaupt keine Lust hatte.
Er wischte das Kondenswasser vom Spiegel und starrte sein rotes Antlitz an. Dann öffnete er das Handtuch, das die gröbste Feuchtigkeit aus seinen Haaren gesaugt hatte. Jetzt hingen ihm die Strähnen wie schleimige Würmer ins Gesicht.
Es war eine Kurzschlussreaktion. Voller Wut packte er die langen, nassen Strähnen, sammelte sie mit einer Hand zu einem Zopf, griff nach der Schere, die eigentlich zum Schneiden von Pflastern gedacht war, und schnitt sich die langen Haare knapp über den Schultern ab. Er musste sich regelrecht durch die Haarmassen arbeiten, die stumpfe Schere konnte so viel nicht auf einmal bewältigen. Dabei liefen ihm die Tränen über die Wangen und sein Gesicht, das sich gerade akklimatisiert hatte, wurde wieder rot und fleckig.
Als er fertig war, betrachtete er voller Entsetzen den fünfzig Zentimeter langen Büschel in seiner Hand und die blonden Strähnen zu seinen Füßen, die sich aus seinem Griff gelöst hatten. Beim Blick in den Spiegel musste er noch mehr weinen, jetzt sah er einfach nur schrecklich aus. Sein Schluchzen hallte
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