Feenland
Kriegsherrn, und obwohl ihn die
Bundesregierung von Griechenland nicht offiziell anerkennt, duldet
sie doch ein gewisses Maß an inoffiziellem Grenzverkehr. Mister
Avramites hat Alex und Katrina mit einem Jeep-Konvoi eingeschleust,
der Medikamente in die Stadt brachte. Ganz zufällig, sagt Mister
Avramites, hatte früher mal eines der griechischen Unternehmen,
die als Sponsoren für den Hilfsgüter-Transport zeichnen,
das Team von Glass mit dem Entwurf einer neuen Verteilungsstruktur
beauftragt.
»Wir kämen auch so rüber«, beharrt Katrina.
»Ich weiß, was du jetzt sagen willst. Daß es an der
Grenze von UN-Sensoren und Fallen wimmelt. Und daß Banditen die
Gegend unsicher machen. Aber unser kleiner blauhäutiger Freund
behauptet, er wüßte einen Schleichweg.«
»Kannst du ihm trauen, Kat? Voll und ganz trauen?«
»Du sagst, er steht auf unserer Seite. Ich sage, ich traue
ihm nicht mehr und nicht weniger als diesem Avramites.«
Alex lächelt unwillkürlich. »Sie ist in der
Nähe, Kat! Ich weiß es! Und sie braucht mich. Weshalb
sonst wäre ich hier?«
»Ich muß mich bei Gelegenheit mal näher mit den
Leuten dieses edlen Hilfswerks beschäftigen. Außerdem
sollte ich Avramites killen, aber so wie ich dich kenne, wirst du das
verhindern. Mußt du wirklich schon wieder verschnaufen?
Immerhin schleppe ich deine bescheuerte Elektronik!«
Aber Alex braucht eine kleine Rast. Der Weg nach unten ist lang,
und die Sonne brennt erbarmungslos. Katrina, der offensichtlich mehr
als das Adrenalin der letzten Nacht zu schaffen macht, kann nicht
stillsitzen.
Sie rennt einem Schaf nach, zwingt es zu Boden, rollt es lachend
auf den Rücken und läßt es wieder laufen.
»Ein Glück, daß keine Hirten in der Nähe
sind«, meint Alex. »Die würden ihre Hunde auf dich
hetzen.«
Die Hirtenhunde hier sind kampfbewährt. Sie besitzen Chips,
die ihr Jagdverhalten verstärken, dazu genmanipulierte
Schnappkiefer und Keramik-Reißzähne, zum Schutz gegen die
Wölfe, die hier auf den Bergwiesen die größten Feinde
der Schafe sind.
»Laß sie ruhig – ich bin bereit!« Katrina
stemmt die Hände angriffslustig in die Hüften. »Das
verdammte Warten macht mich völlig fertig«, sagt sie.
»Und wenn es meinen Kopf kostet – ich will endlich weg von
diesem Arsch der Welt!«
An diesem Abend treffen sie Mister Avramites in einem der wenigen
Restaurants von Gjirokastër, die ihren Betrieb noch nicht
eingestellt haben. Alex diskutiert eine Stunde lang mit Katrina, ehe
sie sich bereiterklärt, ihn zu begleiten. Er nimmt ihr das
Versprechen ab, so wenig wie möglich zu sagen und Mister
Avramites nicht mit der Gabel zu erstechen.
»Meinetwegen zu einem späteren Zeitpunkt, aber momentan
kann er uns noch nützlich sein. Wenn er in letzter Sekunde
kneift und nicht mitkommen will, wissen wir ohnehin, daß er uns
verkauft hat.«
»Das wissen wir jetzt schon«, sagt Katrina
abfällig.
Sie zahlen Kriegspreise für Hammelragout und einfachen roten
Landwein. Die Angehörigen der besseren Schichten machen sich
immer noch fein, wenn sie abends in Gjirokastër zum Essen gehen
– Ärzte, Lehrer und Lokalpolitiker in sauberen,
gebügelten Anzügen und ihre Gattinnen in gestärkten
Baumwollkleidern. Alex trägt einen verknitterten Samt-Poncho
über einem Anzug im Overall-Schnitt, der ihm genau genommen
etwas zu eng ist. Katrina hat ihre Lederkluft an und knallt mit ihren
Biker-Stiefeln über die Steinfliesen. Die Hautevolee mustert sie unauffällig und murmelt Bemerkungen, die
vermutlich wenig schmeichelhaft sind. Söldner stehen hier nicht
hoch im Kurs, und Alex und Katrina sind eindeutig ausländische
Söldner, auch wenn sie am Tisch des hiesigen fis- Experten sitzen.
Mister Avramites erinnert mehr an einen ergrauten
Straßenarbeiter als an einen Rechtsberater, die angehende
Glatze mit einer verknautschten Stoffmütze verdeckt, das
schwarze Jackett an einem Ellbogen durchgewetzt und ein rotes Tuch um
den Hals geknotet. Er setzt eine goldgeränderte Brille auf, um
ihnen die Bedingungen des Passierscheins vorzulesen, den er erhalten
hat. Das Schriftstück ist in Griechisch und Albanisch
verfaßt. Katrina schneidet Alex eine Grimasse, die Alex mit
einem gelassenen Lächeln erwidert. Genau genommen mag er Mister
Avramites. Die Geldgier des alten Mannes ist offen und ehrlich, und
er schätzt seine Geschäftspartner als Freunde, auch wenn er
ihnen tief in die Taschen greift oder, wie in diesem Moment, heimlich
mit ihren Feinden
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