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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Ich verstecke mich
in einem Baum. Das ist kein Problem. Ich pisse ihnen in die Augen,
und sie rennen weg.«
    »Echt?«
    Ray bleckt seine scharfen, spitzen Zähne. »Es sind
Werwölfe, dicker Mensch. Wölfe in Menschengestalt und mit
Militär-Chips. Ich verpasse ihnen eine Dosis, die ihre Chips
kaputtmacht.«
    »Du solltest dich lieber vor den echten Menschen in acht
nehmen.« Alex kniet nieder und wäscht sich das Gesicht mit
dem kalten Wasser, das über die glitschige Felswand rinnt.
    »Du gehst ein Risiko ein, dicker Mensch«, stellt Ray
fest. »Das da ist eine heilige Quelle.«
    »Die heilige Quelle ist längst versiegt. Ein Erdbeben
verschüttete sie, und ein anderes legte die hier frei, nach und
nach.«
    »Hier ist alles heilig, weil wir auf heiligem Boden stehen.
Du solltest aufpassen.« Ray grinst. Seine Zähne sind alle
gleich groß und spitz zugefeilt. Er hat nichts von seiner
raschen Auffassungsgabe und seinem boshaften Spott
eingebüßt. »Wer ist die komische Alte? Das Opfer? Ich
sehe sie in den Wäldern von Gjirokastër herumtrampeln. Ich
verscheuche einen Troll, der sie gerade fressen will.«
    »Sie glaubt an Feen. Sie wird entzückt sein, dich
kennenzulernen, aber bilde dir nichts darauf ein. Was hast du die
ganze Zeit getrieben, Ray? Wir hatten in Paris keine Gelegenheit
mehr, uns richtig zu verabschieden.«
    »Ich verarsche dich da«, sagt Ray mit einem Grinsen.
    »Allerdings. Du hast beide Seiten gegeneinander
ausgespielt.«
    »Ich werde auch verarscht. Sie treibt mit mir das gleiche
Spiel wie ich mit dir. Sie benutzt mich, und ich laufe weg. Sie macht
Sklaven von uns allen, wenn sie kann.«
    Eine Frage brennt Alex auf der Zunge, aber das hier ist wohl nicht
der rechte Moment. Wenn er sich jetzt nach Milena erkundigt, wird Ray
lügen oder einen dummen Witz reißen. Mit ihren starken
Überlebensinstinkten und ihrem fragilen Selbstwertgefühl
können Feen schon bei der geringsten Provokation Jähzorn-
oder Fluchtreaktionen entwickeln. Ihr Bewußtsein
läßt sich auf keinen Fall mit dem der Menschen
vergleichen. Es ist ein empfindliches Gebilde, das auf partiellen,
von implantierten Chips erzeugten Persönlichkeiten basiert,
deren Interaktion über ein dicht geknüpftes Neuronennetz
erfolgt. Ihr Gedächtnis arbeitet schrittweise und linear –
der lange Strick mit den Knoten, den Ray um die Taille geschlungen
trägt, ist ein äußeres Symbol für die
integrierten Erinnerungen, die seine Ichs binden. Er ist seine
Lebenslinie. Feen können Unmengen von
Verarbeitungskapazität einsetzen, aber ihnen fehlt die
plötzliche Einsicht und Erkenntnis von Menschen, die in ihren
Augen beängstigend sprunghafte, ungebundene Geschöpfe
sind.
    Alex verdrängt seine Frage. Statt dessen meint er: »Und
jetzt sehen wir uns also wieder.«
    »Wir wußten, womit man dich ködern kann, dicker
Mensch.« Eines von Rays großen, spitzen Ohren zuckt.
»Sie kommt«, sagt er und ergreift die Flucht.
    Einen Augenblick später hört Alex einen schwachen,
röchelnden Aufschrei. Mistress Powell hat ihren ersten
»wilden« Elf gesehen. Alex folgt Ray durch die Ruinen und
stößt auf Mistress Powell, die stocksteif dasitzt, die
Hände auf den Mund gepreßt, und Ray mit großen Augen
anstarrt. Ihr Reiseführer liegt wie ein verletzter Vogel am
Boden und wispert verworren vor sich hin.
    Katrina kommt aus dem Wald auf der anderen Seite der Tempelruinen,
über der Schulter ein junges Stachelschwein, dem der Kopf fehlt.
Rays Gegenwart scheint sie nicht zu überraschen. Sie wirft ihre
Beute ins Gras und sagt: »Der kleine blauhäutige Stinker
hat sich aus dem Staub gemacht, als er mir helfen sollte, das Ding da
zu schleppen!«
    »Ohne mich fängst du es nie!« erklärt Ray. Er
zieht sich ein paar Schritte zurück und grinst Katrina über
die Schulter hinweg an. »Du hast schwere
Füße.«
    »Was ich habe, ist eine intelligente Glock-Halbautomatik, die
hundert Glaser-Geschosse pro Minute durch das Rohr pustet. Die hat
den Job erledigt, nicht dein Fährtenlesen oder die Kanone, die
in deiner schicken Jacke steckt!«
    »Das ist eine gute Waffe!« Ray zerrt sie hervor und
fuchtelt damit durch die Gegend.
    »Paß bloß auf, daß sie nicht entsichert
ist!« faucht Katrina.
    »Welches Modell hast du da, Ray?« erkundigt sich
Alex.
    »Eine gute amerikanische Pistole. Eine Colt Python, Kaliber
.357 Magnum.«
    Ray zeigt ihm stolz seine Errungenschaft. In den Lauf sind
verschlungene entoptische Feen-Muster gestanzt.
    »Die feuert Zauberkugeln ab«,

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