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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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sie
ihn über die Grenze bringen, dann sitzt er entweder echt in der
Scheiße – oder fährt der größten Story
seines Lebens entgegen. So oder so fühlt er sich, als sei er
über eine Klippe gefallen.
    Todd begeht den schlimmen Fehler, sich aufzusetzen. Offenbar hat
ihm jemand den Schädel gespalten und mit spitzen langen
Nägeln wieder zusammengefügt. Unwillkürlich
stöhnt er. Dicht neben ihm sagt eine vertraute, knurrige Stimme
in das dröhnende Dunkel: »Willkommen an Bord des
beschissensten Taxidienstes auf der Welt!«
    Es ist Spike Weaver. Man habe ihn mit vorgehaltener Waffe aus dem
Hotel geholt, berichtet er, und in den Laderaum eines gepanzerten
Mannschaftswagens verfrachtet, wo Todd bereits bewußtlos auf
dem Boden lag. Er hat seine Uhr mit; es ist kurz nach neun Uhr
abends. Sie sind seit zwei Stunden unterwegs.
    Todd tastet seine Jackentaschen ab und beginnt sie in einem Anflug
von Panik zu durchsuchen, als er merkt, daß seine Brieftasche
mit der Akkreditierung ebenso fehlt wie das Notepad, das
sämtliche wichtigen Informationen, ein
Übersetzungs-Expertensystem, einen Geschichts- und einen
Reiseführer enthält. Außerdem hat er seinen Tropenhut
und einen Schuh verloren. Er erinnert sich wieder an das Feuergefecht
in der engen Gasse und an das Gewicht des toten Soldaten, das ihn zu
Boden drückte. Als er Spike erzählt, was sich vor und nach
dem Interview mit Antoinette zugetragen hat, entgegnet der nur,
daß er sich das meiste davon mittlerweile zusammengereimt
hat.
    »Das Blöde ist, daß ich nicht mal weiß, ob
ich mit ihr selbst gesprochen habe.« Todd muß schreien, um
sich über den Motorenlärm verständlich zu machen, was
seine Kopfschmerzen nicht gerade verringert. »Es könnte
irgend jemand gewesen sein, der sich ein Morpho nach ihrem Bild
gebastelt hat. Sieht so aus, als würden wir neue Probleme
kriegen.«
    Spike knurrt. »Wir stecken schon mittendrin. Das einzige, was
mir Mut macht, ist die Tatsache, daß ich meine Drohne dabei
habe.«
    »Gut. Wenn wir die Ruhe bewahren, schaffen wir es vielleicht,
an unsere Story zu kommen. Inzwischen könntest du mal Licht
machen.«
    »Ich wollte die Batterien schonen«, entgegnet Spike,
befiehlt jedoch seiner Drohne, einen Spot im Spargang
einzuschalten.
    Sie befinden sich in einem Stahltank. Ein geriffelter Stahlboden,
Seitenwände aus vernieteten Stahlplatten, eine an Querstreben
befestigte Stahldecke etwa anderthalb Meter über dem Boden.
    »Scheiße!« sagt Spike mit einem erschrockenen
Blick auf Todd. »Hat es dich schlimm erwischt?«
    Die Vorderfront von Todds Jackett ist blutverkrustet. »Das
stammt nicht von mir«, sagt er und zieht das Ding aus. »Ich
wurde von einer Hornisse außer Gefecht gesetzt.«
    Spike hat einen Riß oberhalb der Wange und eine Beule auf
dem Hinterkopf. Die Männer, die ihn abholten, waren nicht gerade
zimperlich. »Auf See passieren noch schlimmere Dinge«, sagt
er geheimnisvoll. Er scheint die Situation fast zu genießen.
Sie bestätigt seine Ansicht, daß die Welt ein großer
Scheißhaufen ist und das Glück darin besteht, daß es
Momente gibt, in denen man nicht gerade bis zum Hals darin
versinkt.
    Als Todd seine Kopfschmerzen erwähnt, zieht Spike zwei
Paracetamol-Tabletten aus einer der Reißverschlußtaschen
der Bomberjacke, die er zu jeder Tageszeit trägt; Todd hegt
sogar den starken Verdacht, daß er sich nicht mal nachts von
dem Ding trennt. In der Ecke steht eine Chemietoilette, mit einem
Wasserhahn und einem angeketteten Stahlbecher daneben. Das Wasser ist
schal, warm und schmeckt nach Metall, aber nach einer Weile wirkt das
Paracetamol, und Todd fühlt sich etwas besser, um nicht zu sagen
hoffnungsvoll. Vielleicht fährt er ja doch seiner altmodischen
Exklusiv-Story entgegen.
    Spike ist eher skeptisch, und Todd versucht ihn zu
überzeugen. »Sie vertraut mir«, sagt er
schließlich. »Das ist es. Sie hat mich auserwählt.
Deshalb sind wir in Sicherheit.«
    »Du bist der einzige Journalist in der Stadt, der nicht aus
Europa kommt, und der einzige, der hinter Glass herschnüffelt.
Natürlich hat sie dich auserwählt. Diese Leute glauben
immer noch, daß die Staaten was Besonderes sind. Und du bist
prominent. Vielleicht ist sie ein Fan von dir.«
    »Denk positiv, Spike! Da steckt ein Knüller drin. Ich
spüre es einfach.«
    Todd bringt Spike dazu, ein paar Filmmeter zu schießen,
einen schnellen, impressionistischen Bericht, warum er in diesen
Stahlsarg eines Mannschaftswagens eingesperrt ist, der sich

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