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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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der
Kamera-Drohne. Er hat sich eine Serenity-Pille eingeworfen, aber das
hilft nicht viel.
    Feen und Puppen liegen auf der gewellten Oberfläche des
Polymer-Sees verstreut. Einige bewegen sich noch schwach. Eine Puppe,
die nur noch einen Arm gebrauchen kann, und eine Fee mit einer
klaffenden Wunde in Augenhöhe haben sich ineinander verkeilt und
versuchen sich gegenseitig zu erwürgen. Sie winden sich wie
Maden in einer flachen, mit ihrem Blut gefüllten Mulde.
    Als Todd ihnen ausweicht, spürt er die gleiche innere Distanz
wie damals bei seinem ersten Auslandsauftrag, als er die ausgebrannte
Kirche jenes kleinen Bergdorfs in Somalia betrat. Sie war
angefüllt mit den verkohlten Leichnamen von Kindern. Einige
hatte man erschossen, aber die meisten waren bei lebendigem Leib
verbrannt. Er stand da, inmitten des Gestanks und der Hitze, umsummt
von großen grünschillernden Fliegen und geschüttelt
von einem trockenen Würgen, aber er berichtete und berichtete.
Das war sein Job. Berichterstatter. Man zeigte der Welt ihre
Abgründe, die vergessenen, die verdrängten Toten. Die
Morde, begangen von Menschen, denen der Tod nichts bedeutet.
    Todd bleibt am anderen Ufer des Polymer-Sees stehen, neben einem
Telegrafenmast, der in einem steilen Winkel aus der glasigen Masse
ragt. Es ist warm, und eine schwache Morgenbrise bläst vom Osten
herüber. Todd hört, wie der Wind durch die Baumkronen
fährt, droben am Hügelkamm, wo sich die Söldner
verschanzt haben.
    Kurz darauf röhrt Kemmels Motorrad aus dem Waldgürtel
und pflügt sich einen Weg über die erodierten Terrassen in
die Tiefe. Mit einem eleganten Schwenk, der eine tiefe Furche in die
Polymerfläche reißt, bringt Kemmel die Maschine neben Todd
zum Stehen. Er hat eine bläulich verfärbte Beule auf der
Stirn und einen Verband über dem Nasenrücken.
    »Sie stehen auf der falschen Seite, Reporter!« sagt
er.
    »Ich bin neutral.«
    »Das sieht Hauptmann Spiromilos anders.«
    »Er war nie ein richtiger Hauptmann, Kemmel. Er hat sich
selbst befördert. Macht Ihnen das hier Spaß? Sie
mögen es doch, wenn sich was rührt.« Todd deutet auf
Kemmels Beule. »Tut mir leid, daß ich Sie außer
Gefecht setzen mußte.«
    »Unter Spaß verstehe ich was anderes, aber immerhin ist
der Feind geschwächt. Nicht mehr viele am Leben,
stimmt’s?«
    »Aber offenbar immer noch so viele, daß Spiromilos
keinen Frontalangriff riskieren will. Andernfalls hätte ich wohl
nicht die Ehre, mit Ihnen zu sprechen.«
    Kemmel mustert Todd mit gut gespielter Geringschätzung.
»Wenn Sie auf der anderen Seite bleiben, können Sie sich
gleich ein Loch schaufeln. Oder so schnell wie möglich
abhauen.«
    »Es stimmt also? Spiromilos hat die Feen gründlich
unterschätzt.«
    »Die Stadt gehört bald uns, keine Sorge.«
    »Ist das Ihre Botschaft?«
    »O nein.« Kemmel grinst und zeigt dabei eine Menge
weißer Zähne. »Sagen Sie diesen blauhäutigen
Scheißkerlen, daß sie entweder abziehen oder sich ihren
Herstellern ergeben sollen.«
    »Ich glaube nicht, daß sie auf Ihren Vorschlag eingehen
werden.«
    »Wenn sie bleiben, bedeutet das ihr Ende. Mir persönlich
wäre das egal, aber wenn sie verschwinden, verspreche ich,
daß wir hier nur unsere Aufgabe erledigen – nicht mehr und
nicht weniger.«
    »Sie freuen sich darauf, Kemmel, geben Sie es zu! Ein
Rollhasen-Schießen mit mehr als tausend lebenden
Zielen!«
    »Wir werden sie nicht erschießen«, erklärt
Kemmel. »Wir werden sie veredeln. Das ist etwas anderes. Eine
unumgängliche Sache.«
    »Das hat Ihnen Spiromilos erzählt? Und Sie glauben es?
Es wäre Mord, wie immer Sie es nennen.«
    »Nun ergreifen Sie schon wieder Partei«, sagt Kemmel.
»Überreden Sie die Feen zum Rückzug, und Hauptmann
Spiromilos wird Ihnen mehr Wohlwollen als bisher
entgegenbringen.«
    »Die Feen werden kaum auf mich hören.«
    »Passen Sie auf, Reporter, die Feen unterscheiden sich von
den Puppen nur durch ihren Steuerchip. Sie wurden so konstruiert,
daß sie den Menschen gehorchen. Wenn Sie die richtigen Worte
finden, werden sie Ihren Rat befolgen. Wenn nicht, bekommen sie
Probleme – und Sie ebenfalls.«
    Kemmel jagt den Motor seines Spielzeugs hoch, zieht eine enge
Schleife um Todd und brüllt über den Lärm hinweg:
»Sehen Sie zu, daß Sie von hier verschwinden, Sie Wichser!
Ich glaube, Spiromilos hat es auf Sie persönlich abgesehen. Und
er kann auf mich zählen, wenn er Sie in Stücke
reißt!«
    Dann verschwindet er in einer blauen Rauchwolke. Das
Geländemotorrad

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