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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Sonnenuntergang.
    Milena wirft einen Blick auf die Voodoo-Puppen, die an dem
rissigen Vinyl-Armaturenbrett festgeklebt sind, die
Perlenschnüre und Kreuze, die vom Rückspiegel baumeln, die
kitschige Hochglanz-Postkarte, die Jesus in Tridi zeigt, gekreuzigt
und mit Dornenkrone.
    »Das ist nicht dein Stil, Alex«, sagt sie. »Was ist
bloß in dich gefahren?«
    In ihrer Stimme schwingt ein nervöser Unterton mit –
gut, ein wenig Angst kann nicht schaden.
    »Wir gehen auf eine Party«, sagt Alex.
    »Etwa auf Billy Rocks Party? Hast du dich deshalb in Schale
geworfen?«
    Alex trägt seinen grünkarierten Anzug über einem
weißen Baumwoll-Rolli. Vermutlich herrscht auf der Party so was
wie Schlipszwang, aber das war das Feinste, was er in der Kürze
auftreiben konnte. Er steuert den Bus um einen zerlumpten Mann herum,
der mitten auf der Straße steht und gegen den Verkehr
anschreit. Im Auf und Ab entgegenkommender Scheinwerfer sieht er,
daß der Mann einen Stock mit einem aufgespießten
Hundekopf schwenkt. An der Hausfassade hinter dem Mann kauern
Gestalten um ein Feuer. Sie braten vermutlich den Rest dieses Hundes
über den Flammen.
    Alex fällt wieder ein, wie er Delbert einschüchterte,
und er lacht. Milena schaut ihn an, schaut wieder weg.
    »Hast du den Steuer-Chip?« fragt Alex.
    Milena tätschelt die silbrige Tasche auf ihrem Schoß.
»Alles, was ich brauche, ist hier drin. Hast du die
Hormone?«
    Alex antwortet nicht sofort. Er biegt in die Commercial Street
ein. Die Läden sind zum Großteil mit Brettern vernagelt
oder durch Gitter gesichert. Ein bewaffneter Wachtposten steht vor
dem beleuchteten Eingang eines Elektronik-Supermarktes. Ein
Hologramm-Kreuz dreht sich langsam über der Kirche der
Adventisten vom Siebten Tag, die früher mal ein Kino war. Alex
wartet, bis sie in einer Schlange vor der Ampel stehen, ehe er sich
Milena zuwendet und ihr erzählt, daß Delbert und Doggy Dog
die Wohnung seiner Mutter in Brand gesteckt haben.
    Milena starrt einen Obstverkäufer an, der dicht vor der
Windschutzscheibe ein Netz Orangen hochhebt, die Achseln zuckt und zu
dem Wagen hinter ihnen weitergeht. Schließlich sagt sie:
»So war das absolut nicht ausgemacht.«
    »Tja, die Welt ist nun mal kein Ort der Logik«, sagt
Alex. »Sie funktioniert nicht wie ein K-Leben-Ökosystem.
Sie ist die Realität. Du hast dich mit ein paar Verrückten
eingelassen, und wenn Doggy Dog zu der Überzeugung kommt,
daß du ihn reinlegen willst, wird er nicht gerade sanft mit dir
umspringen.«
    »Du meinst, er wird mich umbringen«, sagt Milena.
»Ach, Alex, du weißt wirklich nicht sehr viel über
mich, oder?«
    Alex nennt ihr den Namen der Firma, bei der sie beschäftigt
ist. »Das Haus, in dem du wohnst, gehört ebenfalls diesen
Leuten.«
    »Du könntest sagen, daß ich ihnen
gehöre«, meint Milena leichthin. »Aber das stimmt
nicht – obwohl sie das glauben.«
    »Delbert deutete an, daß sie dich irgendwie manipuliert
haben«, sagt Alex.
    »Mein ganzes Leben«, erklärt Milena. »Du
kannst dir überhaupt nicht vorstellen, wie das ist, Alex. Ich
bin der einzige Erfolg des Programms – die anderen drehten
durch.«
    Die Ampel schaltet um. Alex legt den Gang ein und fährt los.
»Sie haben dich klüger gemacht«, sagt er.
    »Vielleicht. Vielleicht war ich aber auch von Anfang an
klüger – es gibt kein spezielles Gen als Sitz der
Intelligenz. Was die Firma nicht an dem Versuch hinderte, eine Gruppe
von Baby-Superhirnen für ihre Forschungs- und
Entwicklungsabteilung zu züchten. Ich habe keine Eltern, nur
Gameten-Spender. Wer die sind, weiß ich. Das habe ich
auf eigene Faust herausgefunden, als ich vier war. Ich habe
außerdem herausgefunden, daß es mir egal ist, wer sie
sind.
    Meine Geschwister und ich wurden mit einer
Neuronen-Wachstumssubstanz behandelt, noch während die
Leihmütter uns austrugen. Die verstärkte Fähigkeit,
neuronale Netze zu knüpfen – das ist es, was sie bewirkten,
allerdings nur mit Hilfe äußerst plumper Eingriffe in den
Chemie-Haushalt. Das befähigt mich, meine Aufgaben sehr viel
effizienter zu bewältigen. Jedenfalls wuchsen wir in
völliger Isolation auf, erhielten eine hyperkonnektive
Ausbildung, die bereits vor dem Krabbelalter begann, und wurden
unentwegt getestet. Tests, Tests und nochmals Tests. Die meisten
meiner Geschwister entwickelten prächtige Neurosen. Sie
errichteten Phantasiewelten und zogen sich im Lauf der Zeit
völlig in ihr Inneres zurück. Die übrigen gelangten
nie über eine

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