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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Ein
Kabinettminister mit je einem Mädchen links und rechts wird
gerade von einer TV-Crew interviewt. Der Leadsänger und der
Keyboarder von Liquid Television, der Ästhetik-Trash-Band
schlechthin, teilen sich drüben an der Bar eine Flasche Jack
Daniels. Hartäugige Chinesen in geliehenen Dinner-Jackets, die
Fußsoldaten von Billy Rocks Familie, haben sich unter die
Schickeria gemischt. Alex schätzt, daß mindestens die
Hälfte der Frauen zum Gewerbe gehört.
    Puppen im Kellner-Frack tragen in unermüdlichen
Zickzack-Bahnen Silbertabletts mit kleinen Köstlichkeiten durch
die Menge. Alex wählt eine Scheibe dunkles Vollkornbrot mit
weißem Kaviar, Tintenfisch-Bällchen in Aspik und Pfeffer,
dazu Seetang-Püree auf überbackenem Toast. Milena
beobachtet halb belustigt, halb verächtlich, wie er die
Delikatessen verschlingt. Die Puppen kommen von irgendwo hinter der
Arena am anderen Ende des Lagerhauses, und Alex schiebt sich langsam
in diese Richtung.
    Riesige Flüssigkristall-Schirme hängen schräg von
der hohen Decke. Sie zeigen Menschen, die in weiten orangefarbenen
Overalls und schwarzen Bomberjacken durch Licht und Dunkel und Regen
laufen, sich hinter Autowracks ducken und in die Nischen von
Mauerruinen pressen. Sie jagen Puppen in schwarzen
Seidenanzügen. Eine der Puppen gerät ins Kreuzfeuer und
stürzt getroffen und von Krämpfen geschüttelt zu
Boden; die Kameras zoomen und zeigen in Nahaufnahme, wie Blut und
Gehirn aus der Wunde quillt.
    Kaum einer der Party-Gäste kümmert sich um das Geschehen
auf den Schirmen.
    Alex hält Milenas Hand fest, als er durch die Menge auf die
Arena zusteuert. Er hat etwa die Hälfte des Wegs
zurückgelegt, als er Doggy Dog entdeckt. Einen Moment lang
treffen sich ihre Blicke. Dann schiebt sich ein Kellner zwischen sie,
und Doggy Dog ist verschwunden. Ein kaltes Frösteln läuft
Alex über den Rücken. Er bahnt sich seinen Weg wie ein
Panzer mitten durch das Gewühl, während Milena ihn anfleht,
langsamer zu gehen.
    Billy Rock sitzt in der obersten der von der Arena aus schräg
ansteigenden Sitzreihen, flankiert von zwei seiner Onkel in
nüchternen Banker-Anzügen. Billy Rock ist ganz in Schwarz
gekleidet, von einem Homburg mit schmissig gebogener Krempe bis hin
zu den Cowboystiefeln aus Kobraleder. Eine verspiegelte Brille
verdeckt sein halbes Gesicht. Unter ihm füllt eine neugierige
Zuschauerschar die Ränge, umrahmt vom Gleißen der
Scheinwerfer, die auf die Arena gerichtet sind.
    Milena verblüfft Alex, als sie plötzlich vor ihm die
Stufen hinaufrennt und sich zuerst vor Billy Rock, dann vor seinen
Onkeln verbeugt. Billy Rock ist so high, daß er in den Wolken
schwebt. Er klatscht grinsend in die Hände und deutet an Alex
vorbei in die Arena hinunter.
    An gegenüberliegenden Punkten des sägemehlbestreuten
Kreises halten Wärter in wattierten Overalls, dicken Handschuhen
und Helmen mit vergittertem Visier je eine Kampfpuppe in Zaum. Durch
die Zuschauer geht ein Ruck, und Geld wandert von Hand zu Hand. Eine
Glocke ertönt, kaum hörbar über dem Hämmern der
Soundanlage, und im gleichen Moment lassen die Puppenbändiger
ihre Schützlinge los.
    Die Kampfpuppen prallen im Zentrum der Arena aufeinander. Sie
rollen über den Boden, zerren und reißen mit Händen
und Füßen. Die Menge ist aufgesprungen und kreischt
unisono los. Plötzlich ist eine Puppe oben und zerfetzt der
anderen mit einem raschen Biß ihrer scharfen Fänge die
Kehle. Ein Blutstrahl schießt in die Höhe und trifft die
Siegerin, ehe die beiden Wärter ein Lasso aus geflochtenem Draht
über ihren höckerigen Kopf werfen und sie mit vereinten
Kräften aus der Manege schleifen.
    Billy Rock klatscht laut in die Hände und deutet dann auf die
Bildschirme. »Los, Alex, versuch es selbst! Geh nach
draußen, schnapp dir eine Puppe und bring sie um! Es ist gar
nicht schwer und völlig ungefährlich. Eine supergeile
Party, Mann-o! Die vergißt du bestimmt nicht so
schnell!«
    »Bestimmt nicht.«
    »Wer is’n deine Freundin?« will Billy Rock
wissen.
    »Das ist nicht meine Freundin, sondern meine Nichte«,
entgegnet Alex.
    Er spürt mit Unbehagen die kühlen, unergründlichen
Blicke von Billy Rocks Onkeln. Beide haben eine verblüffende
Ähnlichkeit mit den Kröten von einst, wie sie so dasitzen,
das schwarze Haar aus den altersfleckigen Stirnen gekämmt und
mit Pomade an den Kopf geklatscht.
    Billy Rock lacht. »Wenn du das sagst, Alex… Laß
sie ruhig auch mal ran! Die Einladung gilt für die ganze
Familie!«

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