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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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durchschnittliche Intelligenz hinaus.
    Ich bin als einzige übriggeblieben, Alex, und manchmal glaube
ich, daß auch ich verrückt bin. Verrückt, aber
funktionsfähig. Allerdings bin ich weit raffinierter, als die
Firmen-Psychologen ahnen. Ich habe längst herausgefunden, wie
man ihre Tests manipuliert. Ich habe die Leute in meiner Umgebung
voll unter Kontrolle. Vor allem Nanny Greystoke.«
    »Ich halte dich keineswegs für verrückt«, sagt
Alex, aber dann erinnert er sich an seinen Dämmerzustand.
    Das Weiße Zimmer. Die Frau im Weißen Zimmer, mit
leerem Blick inmitten der Spielsachen. Vielleicht war es gar kein
Dämmerzustand. Vielleicht war es real.
    Er hofft, daß seine Stimme nicht allzu unsicher klingt, als
er sich an Milena wendet und fortfährt: »Wir hätten es
nicht bis hierher geschafft, wenn du verrückt wärst. Aber
du hättest nicht auf derart unfaire Weise versuchen sollen, von
mir zu profitieren.«
    »Du bist klüger, als ich dachte, Alex. Ich bin froh,
daß ich dich zu meinem Merlin gemacht habe.«
    »Ich verbuche das mal als Kompliment.«
    Milena schweigt eine Zeitlang. Alex verläßt die
Commercial Street und fährt durch enge Hintergassen, bis er
ziemlich sicher ist, daß ihm niemand folgt. Als sie in die
Cable Street einbiegen und den Rotherhithe Tunnel ansteuern, fragt
Milena, was er eigentlich vorhat. Er erklärt es ihr, und sie
stellt lachend fest, daß sie vielleicht verrückt ist, er
aber ganz bestimmt den Verstand verloren hat.
     
    Alex parkt den Bus am Ende einer der schmalen Straßen beim
Fluß, im Schatten eines verlassenen Wohnblocks, dessen
Legoland-Stil den steilen Aufschwung und jähen Verfall der
Wirtschaft in den Achtzigerjahren widerspiegelt. Auf dem Weg zu den
Surrey Docks und Billy Rocks Party sehen Alex und Milena dünne
Speere weißen Laserlichts, die sich in der Luft schneiden und
eine Art Zelt in der Abenddämmerung bilden. Es beginnt zu
regnen, dicke, glitschige Tropfen, die Alex gegen die Kopfhaut
hämmern. Milena zieht ihre rosa Jacke über den Kopf und
schützt ihre silbrige Tasche mit beiden Armen vor der
Nässe.
    Das Tor zur Baustelle ist von Scheinwerfern erhellt, in deren
Licht die gelben Backstein-Fassaden der Pseudo-Lagerhäuser auf
der anderen Straßenseite wie Butter glänzen. Von
Chauffeuren gesteuerte Nobelschlitten der Marken BMW, Mercedes und
Jaguar laden ihre Passagier-Fracht ab. Bewaffnete, uniformierte
Lakaien kontrollieren die Einladungskarten. Als Alex und Milena sich
in die Schlange einreihen, schlendert Perse auf sie zu.
    Sein Gesicht ist bleich und unrasiert, und Schatten bilden dunkle
Ringe unter den tief in ihren Höhlen eingesunkenen Augen.
»Was, zum Henker, suchen Sie hier, Sharkey?« will Perse
wissen.
    Alex spürt eine seltsame Gelassenheit. »Hallo, Mister
Perse! Darf ich Ihnen meine Cousine Milena vorstellen? Ich nehme sie
mit auf die Party.«
    Milena bedenkt den Polizisten mit einem strahlend doofen Grinsen,
aber Perse beachtet sie kaum. »Sie stecken mit ihm unter einer
Decke. Geben Sie es zu, Sharkey! Deshalb sind Sie doch hier,
oder?«
    Ein paar Leute in der Schlange drehen sich um.
    »Was haben Sie hier zu suchen, Mister Perse?« fragt
Alex.
    Perse kommt ganz nahe. Er riecht nach Whisky. »Eine
Stichproben-Überwachung, das ist alles. Wir sammeln
nützliche Informationen. Passen Sie auf Ihren fetten Arsch auf,
Sharkey!«
    »Der ist total von der Rolle«, meint Milena
nachdenklich, als Perse sich abwendet und schwankend durch einen
Knäuel von Männern in Dinner-Jackets drängt.
    Ein Sicherheitsposten schiebt die Einladung durch einen Scanner,
der den eingebetteten Chip liest, ehe er Alex und Milena durch einen
Metalldetektor schleust. Ein überdachter Gehsteig entlang der
Baugrube endet am Lagerhaus, vor einem Torbogen aus echten tropischen
Gewächsen und einem Spalier von Puppen in schwarzen
Seidenanzügen und Kuli-Hüten, die sich beim Eintritt der
Gäste tief verneigen.
    Im Innern des Lagerhauses wummert und zuckt die Sound- und
Lichtanlage von Ray Aziz. Laserlicht kreist in schmalen Fächern
über den Köpfen der Menge. Männer mit schwarzen
Schlipsen und Dinner-Jackets, Frauen in Cocktailkleidern – kreuz
und quer geschlitzter Knittersamt ist in, aber viele tragen auch
durchsichtige, knöchellange Tschadors über Bodystockings,
Grafikfilm oder nackter Haut. Alex erkennt die Fernsehschauspielerin,
die in den endlosen Folgen einer Seifenoper die Mutter spielt, ein
hochtoupiertes Relikt aus der Zeit, als er noch MTV guckte.

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