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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Mikes Träumen
erwachte, mit Blut unter den Fingernägeln und dem dumpfen,
schwarzen, schlimmen Gefühl, daß letzte Nacht etwas
Schreckliches geschehen ist. Zum zweitenmal innerhalb von zwei Tagen
versteckt er sich vor den Zwillingen.
    Der kleine Junge quengelt weiter. »Es ist stinkig und kalt
hier. Und ich habe eine Ratte gesehen.«
    Armand spürt Schweißperlen auf der Stirn. »Nein.
Nein, du hast dich getäuscht.«
    Die einzigen Ratten, die es im Magic Kingdom noch gibt, sind
Spione. Mit ihren wilden Artgenossen und den Katzen, die von ihnen
lebten, hat das Feenvolk gründlich aufgeräumt.
    »Eben nicht!« Der kleine Junge fängt zu weinen an.
Armand versucht ihn zu trösten, aber der Kleine schluchzt nur
lauter und erklärt, daß er heim will.
    »Aber, aber«, murmelt Armand hilflos. »Aber,
aber!«
    Sie befinden sich in einem Feenwald, der letzten Station eines Kinderwelt- Freizeitparks, dessen künstliche Landschaften
sich von Australien (ein Eukalyptusbaum, in dem eine Art grauer,
ausgestopfter Bär hängt, vor dem gemalten Panorama eines
Hafens mit einem muschelförmigen Bauwerk, dazu ein paar schwarze
Puppen, die Speere und Bumerangs schwingen) bis zu den USA erstrecken
(die Freiheitsstatue, eine Jungen-Puppe im Baseball-Dress, eine
Mädchenpuppe in Cheerleader-Uniform). Der Park hat bessere Tage
gesehen. Die von Wasserflecken verunstalteten Einhörner
spähen verloren aus einem Dickicht staubiger Plastikvegetation.
Die meisten Sterne der nachtblauen Dachkuppel sind heruntergefallen,
die knallroten Fliegenpilze umgestoßen und die Feen, die
über der künstlichen Blumenwiese schweben, angesengt –
vermutlich von den gleichen Vandalen, die den abfallverstopften Kanal
in Brand steckten, durch den einst die Tretboote fuhren.
    Armand setzt sich neben den kleinen Jungen. Er ist so schwach.
Immer wieder muß er den Speichel hinunterschlucken, der sich in
seinem Mund sammelt. Sein Bauch ist aufgebläht. Der vergammelte
Feenwald wird von einem grauen Lichtstreif erhellt, der durch einen
Riß im Dach einfällt. Armand wird das Gefühl nicht
los, daß sich die Dinge in ihre eigenen Schatten verwandeln. Er
muß alles genau beobachten, damit ihn die Realität nicht
austrickst, und das kostet soviel Kraft, daß seine
Schläfen zu pochen beginnen. Selbst die Luft wirkt grau und
körnig und scheint sich schwer auf seine Haut zu legen.
    Der kleine Junge namens Gabriel schaut Armand an. »Ich habe
Kopfweh«, sagt er.
    Das kommt sicher von den Drogen, mit denen das Feenvolk
Wechselbälge ruhigstellt. Nun läßt ihre Wirkung
allmählich nach.
    »Das bedeutet, daß es dir bald besser gehen wird«,
sagt Armand.
    »Wenn ich Kopfweh habe, gibt mir mein Vater immer Wasser, mit
diesem Sprudelzeug drin.«
    »Aspirin«, sagt Armand.
    »Das will ich.«
    »Ich habe keins.«
    »Du taugst nichts. Du hast keine Ahnung von Gastfreundschaft.
Ein Mensch, der was taugt«, sagt der kleine Junge selbstgerecht,
»tut alles, was sein Gast will.« Mit der Würde einer
vornehmen Matrone, die zum Tee empfängt, nimmt er einen Zipfel
des dünnen Schals und putzt sich damit eine Rotzglocke von der
Nase.
    »Ich sorge doch für dich«, sagt Armand. »Sei
still, oder sie fangen dich wieder ein!«
    »Wer?«
    »Monster«, sagt Armand.
    »Was für welche?«
    Gabriel kann sich nicht erinnern, wie er entführt wurde.
Armand natürlich auch nicht. Armand weiß nur, daß
Mister Mike zum Vorschein kam und daß etwas Schreckliches
passierte.
    »Das ist doch egal«, sagt er. »Sie sind hinter dir
her. Sie werden dir weh tun.«
    Gabriel glaubt Armand nicht, und das sagt er auch, mit lauter,
klarer Stimme. Dann fällt ihm ein, wo er ist, und er fängt
wieder zu weinen an.
    Armand wartet, bis sich der kleine Junge in den Schlaf geweint
hat. Ein Teil seines Ichs hegt die vage Hoffnung, daß er
Gabriel nach Einbruch der Dunkelheit irgendwie aus dem Magic Kingdom
schaffen und dann sagen könnte, der Kleine sei ihm entwischt.
Aber ein anderer Teil weiß, daß das unmöglich ist.
Er wird ohne das Soma durchhalten, so lange er kann, und sich dann
ausliefern. Aber versuchen muß er es. Armand ist einsam. Er
sehnt sich nach Hassan. Er sehnt sich nach menschlicher Gesellschaft,
und der kleine Junge ist ein Mensch. Noch.
    Armand fällt in eine Art Betäubung und schreckt auf, als
er irgendwo draußen das Gezanke der Kobolde hört. Er
kriecht bis zum Ende der Führungslinie und späht in den
kalten, grauen Nachmittag hinaus. Niedrige Wolken hängen
über halbverfallenen

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