Feenland
Perlmuttschimmer
führen, und äffen jede Bewegung der beiden nach. Wie
schön sie sind! Wie prächtig gekleidet! Ihre Diener huschen
und hasten um sie herum, mit glänzenden, klugen Gesichtern, und
verneigen sich tief vor ihren Herrinnen, während der arme Ritter
Armand niederkniet und ihre Befehle empfängt.
Er muß eine weite Reise antreten. Aus dem Schoß des
Lichts in die kalte Nacht, über den grimmigen Schatten des
Schlosses hinaus, durch ein Land, wo die Elfenfeuer der Randbewohner
im samtigen Dunkel verstreut sind wie zur Erde gefallene Sterne.
Armand wandert eine Straße entlang. Ganze Flotten funkelnder
Augenpaare spalten das Dunkel, Monster, die auf ihren eigenen
Atemwolken heranzischen, mit kleinen Lichterketten quer über den
mächtigen Aufbauten. Ihre sonoren Stimmen dröhnen und
brüllen, und immer wieder preßt Armand die Hände
gegen die Ohren und stolpert in den Graben neben der breiten
Fahrbahn, während der Sog der Hover-Trucks an seiner Kleidung
zerrt. Aber das gellende Geschrei begleitet ihn immer noch. Er kann
sich nie weit genug entfernen, um ihm zu entrinnen.
Rauhreifbedecktes Gras knirscht unter seinen Stiefeln. Sein Atem
bildet Dampfwolken, die ihm der dünne Wind von den Lippen
reißt. Am Bahnhof geht er die Plattform auf und ab und wartet
fröstelnd auf den Zug, der kurz vor Tagesanbruch kommen wird, um
ihn in die fremde, schreckliche Stadt zu bringen. Die Soma-Wirkung
läßt nach, und dahinter kommt die abgenutzte Welt der
Dinge zum Vorschein. Er erkennt die Stimme jetzt, auch wenn sie
schwächer und schwächer wird. Es ist Mister Mike. Er
kreischt vor Wut, weil nicht er das Kommando führt. Noch nicht.
Noch nicht. Erst wenn die Frau gefunden ist.
9 Verschwörungstheorien
Alle sind betrunken und sitzen mit einem Affengrinsen um den
Tisch. Sie prosten sich zu, kippen Brandy und knallen die Gläser
so hart auf den Tisch, daß die Kerzenflammen tanzen. Morag ist
so betrunken wie alle, die sich im Nebenzimmer der kleinen Kneipe
eingefunden haben. Der Schnaps brennt sich einen Weg in ihren Magen,
und ihr Kopf ist dunstvernebelt. Es ist der Abend des Tages, an dem
Jules ermordet wurde, und die dienstfreien Mitglieder des Mobilen
Hilfstrupps halten Totenwache.
Michel Guidon steht auf, hält sich mit einer Hand an der
Stuhllehne fest und gießt mit der anderen Brandy in sein Glas.
Die Kerzenflammen spiegeln sich in seiner Brille mit dem dünnen
Drahtgestell wider. Er ist an der Reihe, einen Trinkspruch auf Jules
auszubringen. Viele der Ärzte und Sanitäter der Klinik
haben in Afrika gearbeitet und von dort den Brauch mitgebracht, noch
einmal die guten Taten und die guten Eigenschaften des Verstorbenen
aufzuzählen.
»Er spielte Schach wie der Teufel«, sagt Michel Guidon.
»Ich weiß noch, daß wir an manchen heißen
Sommerabenden, wenn seine Schicht vorbei war und es nicht dunkel
werden wollte, in dieses kleine Café im Jardin des Plantes
gingen. Dort sitzen immer ein paar alte Männer herum, die Schach
spielen und dazu ihr Bier trinken. Ich habe selbst erlebt, wie Jules
es mit drei von ihnen gleichzeitig aufnahm – und sie alle
schlug.«
»Er spielte am liebsten mit den Polen«, wirft ein
anderer ein.
»Auf Jules und sein Schachspiel!« rufen sie alle und
trinken noch eine Runde.
Jetzt ist Morag an der Reihe. Sie kann noch klar genug denken, um
ihr Glas nachzufüllen, ehe sie sich erhebt. Die Kneipe kippt ihr
entgegen, und sie stützt sich mit einer Hand auf der feuchten
Tischplatte ab. Alle Blicke sind auf sie gerichtet.
»Das All«, sagt sie nach kurzem Überlegen. Sie
haben bereits von Jules’ Jazz-Leidenschaft gesprochen, von
seinen Kindern, seiner Arbeit in Afrika, seinem
Verantwortungsgefühl gegenüber den Patienten, seinem
Ehrgeiz, ihre Wunden so zu versorgen, daß keine Narben
zurückbleiben. Jetzt sagt sie: »Er beobachtete die
Marslandung. Er sah nicht mehr, wie die Frau den Boden des roten
Planeten betrat, aber es gab andere, die diesen Moment erleben
konnten, weil er sie gesundgepflegt hatte.«
Alle stehen auf und trinken darauf, alle setzen sich wieder und
trinken weiter. Einer der anderen Gäste beschwert sich über
den Lärm, und der Besitzer entgegnet dem Mann, hier werde einem
guten Freund die letzte Ehre erwiesen, und er solle entweder den Mund
halten oder verschwinden. Der Fremde gesellt sich zu ihnen, und am
Ende nehmen alle Anwesenden an der Abschiedsparty teil. Michel Guidon
spielt ein wenig holprig auf der Jazzgitarre, und die
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