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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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feilschen um ihren Platz in der
Welt, und das ist das Problem. Sie haben sich den Schutz der
Mächtigen erkauft.«
    »Sie haben den kleinen Jungen entführt und seine
Schwester ermordet. Sie stehen auch hinter den Morden an den anderen
kleinen Mädchen, nicht wahr? Und sie haben Jules umgebracht.
Diese Wesen haben Jules umgebracht. Und Sie kennen die
Hintergründe und melden sich nicht bei der Polizei!«
    Alex gibt keine Antwort. Er beobachtet, wie die Techniker die
Puppen am Ausgang des Fastfood-Restaurants abfertigen.
    »Du hast zuviel gequatscht, du Blödmann!« faucht
Katrina. »Warum muß sie das alles wissen?«
    »Weil ich eure Fragen nur beantworte, wenn ich einen Sinn
darin sehe«, entgegnet Morag an seiner Stelle. »Weil ich
wissen will, ob wir den kleinen Jungen zurückholen
können.«
    »Wir haben es nicht nötig, mit ihr zu
handeln…«
    »Kat!« sagt Alex scharf. Zu Morags Verblüffung
beherzigt die Frau die Zurechtweisung und hält den Mund.
»Wir können uns hier nicht unterhalten«, fügt
Alex hinzu. »Wollen Sie diese Dinge wirklich wissen, Miss
Gray?«
    »Gehören Sie zum Untergrund? Ich war der Ansicht, die
Freiheitsbewegung hätte sich schon vor Jahren
aufgelöst.«
    »Größtenteils ja«, sagt Alex. »Manche
der Liberationisten wurden verhaftet, manche gaben einfach auf,
manche wurden von ihren eigenen Werken und Machenschaften
verschlungen. Aber der evolutionäre Wandel geht weiter, und
irgend etwas steuert ihn.«
    »Du findest sie doch nicht«, sagt Katrina. »Nicht
nach all den Jahren…«
    »Vielleicht hast du recht«, erwidert Alex. »Fahren
wir, ja?«
    Katrina wendet mitten auf der Straße und schiebt sich mit
wildem Gehupe durch die Menschenmenge. Ein Penner torkelt auf sie zu
und fährt mit einem schmierigen Lumpen über die
Windschutzscheibe. Katrina faucht und betätigt einen Schalter
auf dem Armaturenbrett. Ein blauer Funkenregen spritzt von den
Fingerspitzen des Penners, und er schüttelt fluchend die
angesengte Hand, während er zurückweicht und sich in
Sicherheit bringt. Katrina steigt aufs Gas und jagt das Taxi durch
eine Lücke im Gewühl.
    Morag versucht sich einzuprägen, welchen Weg das Taxi nimmt.
Sie befinden sich irgendwo im Nordosten, was die Sache erleichtert,
denn hier wohnt sie. Der Dicke und die Frau erscheinen ihr weder
besonders gefährlich, noch gehen sie übermäßig
professionell zu Werke. Sie wissen allem Anschein nach einiges
über die Liberationisten – vielleicht gehörten sie mal
der einen oder anderen Zelle der berühmten Bewegung an, die in
den Zwanzigerjahren des neuen Jahrhunderts alles daransetzte, um die
Puppen vom Status genmanipulierter Tiere zu befreien und sie unter
den Schutz der Menschengesetze zu stellen. Aber die Liberationisten
scheiterten wie alle Revolutionsbewegungen, die ihren Kampf gegen den
Staat nicht schnell und entschieden genug führen. Sie zerfielen
in Splittergruppen, weil die Polizeiaktionen sie aufrieben, weil sie
der Sache überdrüssig wurden, weil sie sich gegenseitig
blockierten, weil sie erschöpft waren. Die Menschen werden
älter und verlieren ihre Leidenschaft. Sie ergreifen einen
Beruf, heiraten, gründen ein Zuhause, haben Kinder.
    Auch Morag spürt diese bourgeoise Schwere von Zeit zu Zeit,
den übermächtigen Sog, das zu tun, was die anderen
erwarten, in der Versenkung des Ehelebens zu verschwinden. Sie
weiß, daß sie deshalb aus Edinburgh geflohen ist.
    Das Taxi steuert über eine Brücke des Canal Saint Martin
in die dicht geschlossenen Reihen der Mietshäuser von
Belleville-Ménilmontant. Sie sind etwa einen Kilometer von
Morags Wohnung entfernt. Der dicke Mann namens Alex Sharkey geht
pingelig die Daten in seinem Notepad durch. Das winzige Licht des
Schriftfelds beleuchtet sein Kinn von unten und spiegelt sich als
Funke in den kleinen runden Gläsern seiner Brille mit den
Ohrenbügeln. Er erinnert Morag an ein Porträt von James
Boswell und ganz sicher nicht an einen gefährlichen
Untergrundkämpfer. Und Katrina wirkt trotz ihrer
Kraftsprüche nicht wie eine eiskalte Killerin, sondern eher wie
eine Punklady in der Sinnkrise.
    Die beiden sind ein Paar, das zusammen alt geworden ist, denkt
Morag. Selbst ihre Streiterei ist nicht mehr als eine liebevolle
Gewohnheit. Bei dieser Vorstellung merkt Morag, daß sie keine
Angst empfindet. Sie fühlt sich schwach und schwindlig nach
diesem Sprühzeug, das sie auf einen Schlag aus dem Alkoholnebel
holte, aber sie hat schon schlimmere Dingen hinter sich.
    In den Camps etwa,

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