Fehlfunktion
Nachrichtenagentur.
Und dann war Lalonde in diese wunderbaren Kalamitäten geraten. Kalamitäten, die sowohl den Planeten als auch seine Bevölkerung trafen, den Gouverneur Colin Rexrew und den Stab der LEG, doch für Graeme Nicholson waren sie wie Manna, das vom Himmel fiel.
Es herrschte Krieg – oder eine Zettdee-Revolte oder eine Xeno-Invasion, abhängig davon, mit wem man sich gerade unterhielt. Graeme hatte alle drei Möglichkeiten untersucht und stichhaltige Hinweise auf seiner Flek gespeichert, die in der letzten Woche an Bord der Eurydice nach Avon gegangen war. Merkwürdig nur, daß der Gouverneur nach zweieinhalb Wochen noch immer keine offizielle Stellungnahme abgegeben hatte, was genau sich oben am Quallheim und am Zamjan River abspielte.
»Dieser Stellvertreter von Rexrew, dieser Terrance Smith – er redet davon, uns zu einer anderen Koloniewelt der Stufe Eins zu schicken«, polterte Diego Sanigra. Er nahm einen weiteren Schluck Bier aus seinem Krug. »Als würde uns das einen Deut weiterhelfen. Was würden Sie sagen, wenn Sie als Kolonist für eine Passage nach Lalonde bezahlt hätten, um sich nach dem Erwachen aus Null-Tau plötzlich auf Liao-tung Wan wiederzufinden? Eine ethno-chinesische Welt, wissen Sie? Sie würden die euro-christlichen Kolonisten hassen, die wir ihnen bringen.«
»Hat Terrance Smith etwa vorgeschlagen, die Kolonisten nach Liao-tung Wan zu bringen?« erkundigte sich Graeme Nicholson.
Sanigra grunzte unverbindlich. »Das sollte nur ein Beispiel sein.«
»Was ist mit Ihren Treibstoffreserven? Haben Sie genügend Helium-III und Deuterium an Bord, um zu einer anderen Koloniewelt zu fliegen und anschließend wieder zur Erde zurückzukehren?«
Diego Sanigra setzte zu einer Antwort an. Graeme Nicholson lauschte beiläufig, während seine Blicke durch das überfüllte Lokal schweiften. Am Raumhafen war gerade Schichtwechsel gewesen. Im Augenblick flogen die McBoeings nicht besonders häufig. Lediglich die drei Frachter im Orbit um Lalonde wurden entladen; die sechs Kolonistentransporter warteten auf eine Entscheidung Colin Rexrews, was mit ihren Passagierkomplementen geschehen sollte. Die meisten Raumhafenarbeiter zeigten sich lediglich kurz zu Beginn ihrer Schicht, damit sie weiterhin ihren vollen Lohn beanspruchen konnten.
Ich frage mich, was sie zum Ende der Überstunden sagen, dachte Graeme. Vielleicht ergibt sich daraus eine weitere Geschichte.
Der Crashed Dumper jedenfalls litt ganz sicher nicht unter den Unruhen, die den Rest der Stadt beeinträchtigten. Er lag zu weit abseits, und in dieser Gegend wurde nicht gegen Rexrew oder die Zettdees protestiert und demonstriert. Hier wohnten zu viele Angestellte der LEG mitsamt ihren Familien. An diesem Abend war das Lokal stark besucht; viele Leute waren gekommen, um ihre Sorgen in Alkohol zu ertränken. Die Kellnerinnen hetzten von einem Ende des langgestreckten Schankraums zum anderen. Die Ventilatoren an der Decke drehten sich rasch, doch sie konnte nicht viel an der Hitze ändern.
Graeme hörte, wie der Audioblock in der Ecke stockte. Die Stimme des Sängers wurde langsamer, vertiefte sich zu einem merkwürdigen Baßrumpeln. Dann wurde sie wieder schneller, zu schnell diesmal, und verwandelte sich in einen mädchenhaften Sopran. Die Menschen, die sich um den Block drängten, lachten zuerst, doch dann schlug einer mit der Faust auf den Apparat. Nach einem Augenblick kehrte die gewohnte Lautstärke zurück.
Graeme erblickte einen großen Mann und eine wunderschöne junge Frau. Sie schoben sich an ihm vorbei. Irgend etwas am Gesicht des Mannes erschien ihm vertraut. Die Frau erkannte er als eine der Kellnerinnen des Lokals, obwohl sie an diesem Abend eine Jeans und eine einfache Baumwollbluse trug. Doch der Mann – er war in mittlerem Alter, besaß einen kurzen Bart und einen Pferdeschwanz und trug eine elegante Lederjacke über aschgrauen Hosen. Und er war sehr groß. Fast wie ein Edenit.
Das Glas Lager fiel aus Graemes plötzlich taub gewordenen Fingern. Es prallte auf die Mayope-Dielen und zerplatzte, und der Inhalt durchnäßte seine Schuhe und Socken. »Verdammte Scheiße!« krächzte er. Die Furcht, die seine Kehle mit einemmal zusammenschnürte, ließ den Ausruf zu einem bloßen Flüstern werden.
»Alles in Ordnung?« fragte Diego Sanigra, weil jemand es gewagt hatte, ihn mitten in seiner Beschwerde zu unterbrechen.
Graeme riß sich vom Anblick des Pärchens los. »Ja«, stammelte er. »Ja, alles in Ordnung,
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