Fehlfunktion
Dicht an dicht stehendes Gestrüpp wich langen, schlanken Bäumen mit einer Krone, die sich in dreißig Metern Höhe wie Farnwedel ausbreitete. Eine dichte Decke aus Kriechpflanzen bedeckte den Boden und wand sich an den Stämmen hinauf, um das untere Drittel in ein dichtes konisches Geflecht zu hüllen. Die Sichtweite wurde dramatisch vergrößert, doch die Pferde mußten genau aufpassen, wohin sie ihre Hufe setzten. Hoch über ihren Köpfen sprangen Vennals mit unglaublichen Sätzen durch die Lüfte oder jagten an den schlanken Stämmen in die Höhe, um sich im Blattgewirr der Baumkronen zu verbergen. Jenny konnte nicht erkennen, wie sie sich an der glatten Rinde festhielten.
Nach weiteren vierzig Minuten erreichten sie einen kleinen Bachlauf. Jenny stieg mit vorsichtigen Bewegungen ab und ließ ihr Pferd trinken. In der Ferne sah sie eine Herde Danderil, die sich von dem schmalen Rinnsal entfernte. Von Westen her zogen weiße Wolken heran. In spätestens einer Stunde würde es regnen, erkannte Jenny.
Dean Folan stieg hinter ihr ebenfalls vom Pferd, und Will Danza blieb als letzter im Sattel, um von seinem erhöhten Aussichtspunkt aus Wache zu halten. Alle drei trugen identische Kleidung: einteilige, extrem strapazierfähige, projektilsichere Anzüge in Olivgrün mit einer äußeren Isolation, um die Strahlung von Energiewaffen zu streuen. Die leichten Kampfanzüge paßten wie angegossen und besaßen im Innern eine Schaumstoffschicht, um die Haut zu schützen. Thermoleitende Fasern hielten die Körpertemperatur auf einer voreingestellten Norm, was auf Lalonde ein echter Segen war. Wenn der Anzug von einem Projektil getroffen wurde, aktivierten sich die Mikro-Valenzgeneratoren an der Hüfte und verfestigten das Gewebe im Bruchteil von Mikrosekunden, um so den Aufprall abzufangen und die Geschoßenergie gleichmäßig zu verteilen. Auf diese Weise war der Träger sogar davor sicher, von Feuerstößen aus automatischen Waffen durch die Gegend gewirbelt zu werden. (Jenny bedauerte nur, daß der Anzug sie nicht vor dem durch das ungewohnte Reiten verursachten Wundsein schützen konnte.) Der Kampfanzug wurde vervollständigt durch einen Schalenhelm, der mit der gleichen Präzision paßte wie der Anzug. Der Helm verlieh ihnen mit seinen großen Sichtlinsen und dem kleinen, V-förmigen Atemventil ein insektenartiges Aussehen. Im Kragen befand sich ein Ring aus optischen Sensoren, auf die mit Hilfe einer neuralen Nanonik zugegriffen werden konnte und die Sicht nach hinten ermöglichte. Sie konnten sogar bis zu einer halben Stunde unter Wasser überleben, dank der Fähigkeit des Anzugs, Sauerstoff zu recyceln.
Der Bach war schlammig, die Steine von Algen überwuchert, doch das schien den Pferden nichts auszumachen. Jenny beobachtete, wie sie gierig das Wasser tranken, und saugte selbst ein wenig eiskalten Orangensaft aus dem Nippel des Spenders in ihrem Anzug. Dann machte sie sich daran, mit Hilfe des Trägheitsleitsystems ihre gegenwärtige Position zu bestimmen.
Dean und Will tauschten die Position, und Jenny befahl dem Kommunikatorblock ihres Anzugs, einen verschlüsselten Kanal zu Murphy Hewlett zu öffnen. Das ESA-Team und die Marines der Konföderierten Navy hatten sich getrennt, nachdem sie von Bord der Isakore gegangen waren. Sie gingen davon aus, daß ihre Chancen besser standen, einen der sequestrierten Kolonisten zu fangen, wenn sie getrennt operierten.
»Wir sind acht Kilometer von Oconto entfernt«, berichtete Jenny. »Bisher keinerlei Kontakt mit dem Feind oder mit Einheimischen.«
»Hier das gleiche«, antwortete der Lieutenant der Navy. »Wir befinden uns sechs Kilometer südlich von Ihnen, und außer uns ist kein Mensch in diesem Dschungel. Falls der Siedlungsbeauftragte von Oconto tatsächlich mit fünfzig Freiwilligen hinter den Zettdees her ist, dann war er jedenfalls nicht in unserer Gegend. Fünfzehn Kilometer von hier entfernt gibt es eine kleine Savanne mit vielleicht hundert Gehöften darauf. Ich schätze, wir versuchen dort unser Glück.«
Statisches Rauschen verstümmelte ihre Unterhaltung. Automatisch überprüfte Jenny ihre Detektoren auf elektronische Kampfmaßnahmen, doch sie vermeldeten keinerlei Aktivität. Offensichtlich handelte es sich um atmosphärische Störungen.
»In Ordnung. Wir rücken weiterhin auf das Dorf vor und hoffen, daß wir einen Kolonisten finden, bevor wir dort angekommen sind«, antwortete sie per Datavis.
»Verstanden. Ich schlage vor, daß wir uns von jetzt ab
Weitere Kostenlose Bücher