Fehlfunktion
Multiversums auf physische oder biologische Aspekte angewiesen ist. Du vielleicht?«
»Nein.« Er trank seinen Tee, froh, daß die Tasse endlich leer war. »Und was sind das nun für Reiche?«
»Während der Geist in einem Körper wohnt, bewegt er sich in den spirituellen Reichen der Götter, die über die Natur herrschen. Es gibt sechs davon, und fünf Götter.«
»Aber du hast doch erzählt, daß es nur einen Himmel gibt?«
»Habe ich. Die Reiche sind nicht der Himmel, sondern Aspekte von uns selbst. Die Götter sind nicht Gott, aber sie sind höhere Wesen als wir. Sie beeinflussen die Ereignisse durch Weisheit und die Täuschungen, die sie vor uns enthüllen. Aber sie besitzen keinerlei Einfluß auf die physischen Realitäten des Kosmos. Sie sind ganz sicher nicht die Vollbringer von Wundern.«
»Wie Engel und Dämonen also?« fragte er lächelnd.
»Wenn du so willst, ja. Wenn es dir dadurch leichter fällt zu glauben.«
»Also tragen diese Götter die Verantwortung für uns?«
»Du ganz allein trägst die Verantwortung für dich. Du und nur du allein entscheidest, wohin dein Geist dich führt.«
»Aber warum dann die Götter?«
»Sie schenken uns Wissen und Einsicht, und sie führen uns in Versuchung. Sie prüfen uns.«
»Das ist vielleicht albern. Warum lassen sie uns nicht in Frieden?«
»Ohne Erfahrung ist kein Wachstum möglich. Existenz bedeutet Evolution, sowohl auf spiritueller wie auf persönlicher Ebene.«
»Ich verstehe. Und wer ist nun dieser Chi-Ri, gegen den ich mich verschließe?«
Anastasia Rigel stand auf und ging zu einem der Flechtkörbe. Sie zog eine kleine Tasche aus Ziegenhaut hervor. Wenn sie sich des hungrigen Blickes bewußt war, mit dem er jede ihrer Bewegungen verfolgte, so zeigte sie es zumindest nicht. »Diese hier repräsentieren die Götter«, sagte sie, als sie sich wieder setzte. Sie schüttete den Inhalt der Tasche aus. Sechs bunte kieselsteingroße Kristalle kullerten auf den Teppich. Sie alle waren geschnitzt, erkannte Dariat; Würfel, deren Seiten mit kleinen Runen gekennzeichnet waren. Sie hob den roten Würfel auf. »Dieser hier steht für Thoale, den Gott des Schicksals.« Sie hob den blauen Kristall auf und sagte ihm, daß er für Chi-Ri stand, die Göttin der Hoffnung. Grün stand für Anstid, den Gott des Hasses, Gelb für Tarrug, den Gott des Übermuts. Venus, die Göttin der Liebe, war so klar wie Glas.
»Du hast aber doch erzählt, es gibt sechs Reiche«, sagte er.
»Das sechste ist die Leere.« Sie deutete auf den pechschwarzen Würfel. Er besaß keinerlei Runen. »Sie hat keinen Gott und keine Göttin. Die Leere ist der Ort, an den die verlorenen Geister fliehen.« Sie kreuzte die Arme vor der Brust, so daß ihre Finger die Schultern berührten, und die Armreifen fielen klingelnd herab in ihre Ellbogenbeugen. Sie erinnerte Dariat an eine Statue von Shiva, die er einmal in einem der vier Tempel von Valisk gesehen hatte. Shiva als Nataraja, König der Tänzer. »Ein schrecklicher Ort«, murmelte Anastasia fröstelnd.
»Und du glaubst, für mich gibt es keine Hoffnung?« fragte er. Plötzlich stieg erneut Wut in ihm auf über diesen primitiven heidnischen Unsinn.
»Du sträubst dich immer noch.«
»Nein, tue ich nicht. Ich habe sehr viel Hoffnung. Eines Tages werde ich dieses ganze Habitat regieren, weißt du?« fügte er hinzu. Das sollte reichen, um sie zu beeindrucken, dachte er.
Doch sie schüttelte nur den Kopf, und das Haar fiel ihr ins Gesicht. »Das ist Anstid. Er täuscht dich, Dariat. Du verbringst zuviel Zeit in seinem Reich, und er hat einen unheilvollen Einfluß auf deinen Geist.«
»Und woher willst du das wissen?« fragte er verächtlich.
»Diese Steine hier nennt man Thoale-Steine. Thoale ist der Gott, dem ich verpflichtet bin. Er zeigt mir, was dem Auge verborgen ist.« Ein leichtes ironisches Lächeln huschte über ihre Lippen. »Manchmal greift Tarrug ein. Er zeigt mir Dinge, die nicht für meine Augen bestimmt sind und Ereignisse, die ich nicht verstehen kann.«
»Wie funktionieren diese Steine?«
»Jede der Seiten ist mit den Runen eines der Reiche gekennzeichnet. Ich lese die Kombinationen, wie sie fallen, oder im Fall der Leere, wie sie in Relation zu den anderen fällt. Möchtest du gerne wissen, was die Zukunft für dich bereithält?«
»Ja. Mach weiter.«
»Nimm jeden der Kristalle, halte ihn einen Augenblick lang in der Hand, versuch ihn mit deiner Seele zu durchdringen, dann leg ihn in die Tasche zurück.«
Er nahm
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