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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Rücken an die Fensterbank und verschränkte die
Arme vor der Brust. Das alles behagte ihr ganz und gar nicht. Praktisch jeder
von der Liste, der sich fragte, warum er ein Alibi beibringen sollte, konnte
die Ermittlungen so behindern, dass sie unmöglich wurden. Und auch wenn
Steffens ihnen den Rücken stärkte, letztendlich hielten sie und ihre Leute die
Köpfe hin.
    Hellwein schien das gleiche zu denken, denn er zuckte die Achseln und
meinte lapidar: „Wir sitzen auf dem Schleudersitz, Chef. Punkt.“
    „Wird wohl so sein! — Also los: Du machst eine einzige Kopie von diesem
verdammten Ding. Und die lässt du keine Sekunde aus den Augen. Leg sie dir
nachts unters Kopfkissen, wenn´s sein muss. Ich tu´s mit dem Original auch.
Dann nimm dir Klippstein morgen früh. Ich will wissen, ob es zwischen der Liste
und den Firmen rund um die Hünefeldstraße Berührungspunkte gibt.“
    „Und du?“
    „Ich? — Ich sehe mal, was das Notizbuch von Lautmann hergibt.“
     
    Der halbe Sonntag ging bei diesem Abgleich drauf. Aber dann hatten sie
ein einigermaßen klares Bild. So gut wie alle Kürzel aus dem Kalender konnte
Susanne plötzlich zuordnen. Da war „NK“, der sich als Nikolaus Kaiser
entpuppte, früherer Staatssekretär und jetzt Aufsichtsratsvorsitzender einer
Schnellimbisskette; oder „Flosse“, was nur Günter Flossmann heißen konnte,
Staatsanwalt am Oberlandesgericht.
    Und auch das Kürzel „K/B, HW 17,30 Nizza“, eingetragen unter dem 15.
Januar, hatte Susanne zuordnen können. Halbwegs zumindest. „HW“ war Hermann
Witte, Inhaber der Hermann Witte KG, Lebensmittel Im- und Export, mit Sitz in
der Richard-Byrd-Straße, einem Parallelweg zur Hünefeldstraße — was ihr nach
einem kurzen Blick auf den Stadtplan einen Pfiff entlockte. Der Kreis schien
sich also langsam zu schließen. Auch, wenn „K/B, 17,30 Nizza“ zunächst ein
Rätsel blieb — sie hatten zum ersten Mal einen direkten Zusammenhang zwischen
Inge Lautmann und dem Industriegebiet Ossendorf hergestellt.
    Hellwein kam schließlich auf die Idee, dass „K/B“ Köln- Bonner
Flughafen heißen könnte. Ein kurzes Telefonat mit dem Flughafen bestätigte,
dass am 15. Januar um 17:30 Uhr eine „City-Linie“ nach Nizza gestartet war. Auf
die Schnelle bekamen sie keine Genehmigung, die Passagierlisten einzusehen.
Aber Susanne war davon überzeugt, dass Lautmann am 15. Januar mit Herrmann
Witte nach Nizza geflogen war. Ihr Kalender bestätigte sogar die Rückkehr am
19. des Monats.
    Hellwein und Klippstein gruben schließlich noch Martin Geseke aus, der
auf der Liste stand und einen Großhandel für kosmetische Produkte am Ende der
Mathias-Brüggen-Straße unterhielt. Im Notizbuch war kein „MG“ zu finden, aber
das dämpfte Susannes Jagdfieber keineswegs. Plötzlich gleich zwei Verbindungen
zum Industriegebiet zu haben, war der Durchbruch, auf den sie so gewartet
hatte. Sie würden vielleicht ein Motiv erkennen können, und der Weg vom Motiv
zu einem Tatverdächtigen war in den meisten Fällen denkbar kurz.
     
    Montag früh um neun standen sie bei Witte im Büro. Er war der typische
Unternehmer vom alten Schlag. Anfang siebzig, graumeliertes Haar, tadelloser
dreiteiliger Anzug, perfekt gebundene Krawatte. Und er leugnete zunächst, eine
Ingeborg Lautmann überhaupt gekannt zu haben.
    Susanne brauchte Hellwein nicht einmal anzusehen, damit er seine
kleine Show abzog. Er nestelte sein Notizbuch aus der Innentasche seines Sakkos
und sagte bedeutungsschwer: „Herr Witte!“
    Dann begann er zu blättern, als ob er nach der entsprechenden
Eintragung suchte. Bei einer willkürlich gewählten Seite, die eng mit seiner
krakeligen Schrift bedeckt war, stoppte er und seufzte kurz auf.
    „Herr Witte!“, sagte er noch einmal und warf dem alten Mann einen
nachsichtigen Blick zu, wie einem Kind, das man bei einer kleinen Schwindelei
ertappt hatte. „Sie sind am 15. Januar mit Ingeborg Lautmann um 17:30 Uhr von
Köln-Bonn aus nach Nizza geflogen. Rückkehr am 19.“ Mit einem Knall schlug er
das Heft zu. „Muss ich Ihnen noch das Hotel nennen, in dem Sie mit ihr
abgestiegen sind, oder reicht das, um Ihr Gedächtnis aufzufrischen?“
    Hellwein hatte natürlich keine Ahnung von dem Hotel, aber das spielte
keine Rolle. Seine Vorstellung verfehlte ihre Wirkung nicht.
    Der Gesichtsausdruck von Witte hatte während Hellweins Sätzen
mindestens drei Mal gewechselt. Erst Wut, dann Empörung und schließlich Angst.
Nun sank er hinter seinem

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