Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
Vom Netzwerk:
Moment noch gar nichts anfangen konnte. Das war nicht seine Art.
    Durch die Glasplatte seines Schreibtischs konnte er sehen, dass
Eickboom nervös mit dem rechten Fuß wippte. Dabei zog er ein blau-weiß
gestreiftes Taschentuch hervor und wischte sich über die Stirn, ehe er zögernd
den wahren Grund seines Besuchs nannte.
    „Ich … äh … ein Freund von mir …“ Eickboom räusperte sich. „Ein Freund
von mir lässt fragen, ob Sie ihm einen guten … Scheidungsanwalt empfehlen
können.“
    Chris bemühte sich um einen angemessenen Gesichtsausdruck. Natürlich
kaufte er ihm den „Freund“ nicht ab. Der Alte selbst brauchte einen Scheidungsanwalt.
Und deshalb war er so verändert. Was war wohl geschehen? Hatte seine Frau ihn
bei einem seiner Seitsprünge ertappt? Oder hatte seine Geliebte ihm ein
Ultimatum gestellt? Wie auch immer: für Eickboom und seine Frau ging es um eine
Menge Geld.
    Ohne einen Kommentar abzugeben, schrieb Chris ihm ein paar Namen von
Kollegen auf, die auf Familienrecht spezialisiert waren.
    Als Eickboom sich verabschiedet hatte, sah Chris ihm lange nach. Er
hatte ihn bisher nur als Siegertypen erlebt, als Spieler, der jede Partie
gewann. Ihn jetzt als fast gebrochenen Mann zu sehen, war erschreckend. Er
machte sich ernsthaft Sorgen um den Alten.

Zweiundzwanzig
     
    Trotz der
vorhersehbaren Schwierigkeiten hatte Susanne etwas Ähnliches wie Euphorie
überfallen — wenn sie zu so einer Empfindung überhaupt fähig war. Sie hatte
plötzlich keinerlei Zweifel mehr, den Täter zu fassen. Wie auch immer Chris an
die Liste gekommen war, sie war genau das, worauf die Kommissarin gehofft
hatte. Und es standen genau die Leute darauf, die zu erwarten waren. Bisher
hatten sie nur von den kleinen Fischen gehört. Stinknormale Männer, die sich
zwar das Besondere leisteten, aber ansonsten nicht viel verlieren konnten. Von
denen hatte sicher keiner ein Interesse daran gehabt, Lautmann und Tönnessen
mundtot zu machen.
    Doch auf der Liste von Chris standen Namen, hinter denen sich mehr
verbarg als die Furcht vor der zornigen Ehefrau. Da waren Politiker, die auf
edelmütigen Biedermann machten; Staatsanwälte und Richter, die bei jeder
Gelegenheit von Recht und Ordnung faselten; sowie nach außen hin seriöse und
aufrechte Industrielle. Ihre Angst, plötzlich mit dem Rotlichtmilieu und
vielleicht schlimmer noch mit Drogen, Kungelei und dergleichen in Verbindung
gebracht zu werden, saß mit Sicherheit tief. Skandale, Rücktritte oder
Disziplinarverfahren mussten sie alle befürchten. Und genau das suchte Susanne:
Einen Menschen, der so viel Angst hatte, dass er den Tod der einen Frau
billigend in Kauf nahm und den der anderen sogar angeordnet hatte.
    Anders als Chris, der plötzlich auf Hintermänner und organisiertes
Verbrechen hinaus wollte, sah Susanne immer noch ihren Hauptansatzpunkt im
persönlichen Umfeld von Lautmann und Tönnessen. Langjährige Erfahrung und die
damit verbundene Intuition sagten ihr, dass der Auftraggeber beider Verbrechen
auf dieser Liste stand.
    Ihr Interesse an Karin Berndorf war vollends erloschen. Sie konnte
zwar die Gefühle von Chris für diese große, spröde Frau nicht nachvollziehen,
aber das gehörte nicht mehr zu ihren Ermittlungen. Hatte höchstens etwas mit
Verwunderung über den Geschmack ihres Freundes zu tun.
    Was sie jedoch nicht vergaß, war der Einbruch in Karins Wohnung. Und
Susanne glaubte tief im Inneren genauso wenig an Zufälle wie Chris. Irgendwann
würden sie sicher auch dieses Rätsel lösen, aber zunächst einmal mussten sie
sich um die Kundenliste kümmern, die in ihren Augen ein wahres Geschenk des
Himmels war.
    Sie beorderte Hellwein zurück, der sich gerade ein weiteres Mal in
zweifelhafte Sexualpraktiken einweisen ließ. Dann stöberte sie den Leiter des
Dezernats, Kriminalrat Steffens auf, der bei Kaffee und Kuchen zu Hause saß.
Ebenso verfuhr sie mit dem Staatsanwalt, diesem blutjungen Bürschchen, dessen
Adamsapfel vor lauter Nervosität ständig auf und nieder hüpfte.
    Wie immer, wenn sie im Büro von Robert Steffens war, durchzuckte
Susanne der Neid. Es war mindestens doppelt so groß wie Hellweins und ihres.
Der dicke Teppichboden schluckte jeden Schritt, die bequemen Polstersessel
hatten Armlehnen, und der Ausblick auf den Rhein mit der mächtigen Kathedrale
dahinter war einfach grandios. Als sie sich jetzt auf einem der Besucherstühle
niederließ, wurde ihr Blick fast magisch angezogen von den Spitzen der beiden
Domtürme.
    Der

Weitere Kostenlose Bücher