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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Kriminalrat in seinem Pragmatismus schien von der Aussicht
allerdings völlig unbeeindruckt. Dafür war ihm die Brisanz der beiden Blätter,
die Susanne ihm überreicht hatte, viel zu bewusst.
    „Wenn das in die falschen Finger gerät …“ Steffens nahm die Lesebrille
ab und ließ den Rest des Satzes im Raum hängen. Hellwein und Susanne nickten
beifällig. Mit einer Verzögerung von etwa zwei Sekunden nickte auch der
Staatsanwalt. Sein schmales Gesicht war hochrot und stand in seltsamem Kontrast
zu den weißblonden Haaren.
    „Wie sollen wir vorgehen?“, fragte Susanne. „Wenn wir davon Kopien
ziehen und fünfzig Leute losschicken …“
    „… steht es morgen in der Zeitung“, vollendete Steffens. „Ich weiß,
dass in diesem Haus geplaudert wird. Das ist wie in jedem anderen Präsidium der
Welt auch.“
    „Wir sollten den Kollegenkreis möglichst klein halten“, schlug
Hellwein vor. „Unsere SOKO besteht jetzt aus acht Leuten. Lassen wir es dabei.
Dann dauert alles zwar länger, aber zumindest ist die Gefahr eines Skandals
ziemlich gering.“
    „Hm“, machte Steffens und setzte die Brille wieder auf. Sein linkes
Augenlid zuckte, wie immer, wenn er nervös war. „Ist das hier die einzige
konkrete Spur?“
    „Es gibt meiner Meinung nach zwei Linien, auf die sich die
Ermittlungen konzentrieren sollten“, erklärte Susanne. „Einerseits die Suche
nach einem perversen Freier, respektive Liebhaber der Lautmann. Andererseits
könnten wir es hier auch mit organisiertem Verbrechen zu tun haben.“
    Sie erläuterte kurz die Theorie von Chris, ließ jedoch keinen Zweifel
daran, dass ihre Prioritäten woanders lagen. „Da wir immer noch kein
eindeutiges Motiv haben“, schloss sie, „sollten wir auch die Frauen, die für
Tönnessen gearbeitet haben, weiter befragen. Das bringt uns vielleicht
wichtiges Hintergrundmaterial.“ Sie ließ den Einbruch bei Karin ganz bewusst
außen vor. Das hätte alles nur noch komplizierter gemacht.
    Hellwein grinste verstohlen, was Steffens offenbar entging. Er nickte
eifrig und fällte dann eine klare Entscheidung. So wie es seine Mitarbeiter von
ihm gewohnt waren. Dass der junge Staatsanwalt dabei völlig übergangen wurde,
schien niemandem aufzufallen. „Also gut! Zwei Leute halten sich weiter an die
Frauen. Geben Sie eventuelle Hinweise auf Hintermänner an die Kollegen vom
organisierten Verbrechen weiter. Die kennen sich da besser aus. Die anderen
kümmern sich um diese Leute hier.“
    Er tippte mit seinen dicken Fingern eindringlich auf die beiden
Blätter, die vor ihm lagen. „Sehen Sie zu, dass keiner anfängt zu tratschen —
auch nicht mit Kollegen. Ich werde versuchen, Ihnen solange es geht, von weiter
oben den Rücken freizuhalten. Ich denke, der Herr Staatsanwalt wird in seiner
Dienststelle genauso verfahren.“ Zum ersten Mal würdigte er Kremer eines
Blickes. „Aber Sie sollten schnell zu einem Ergebnis kommen. So was lässt sich
nicht lange unter dem Deckel halten. Wenn das an die richtige …“ Er setzte ein
schiefes Grinsen auf, „… besser gesagt, an die falsche Stelle kommt, wird man
uns so viele Steine in den Weg legen, dass wir einpacken können.“
    Über den Rand seiner Brille sah er erst Hellwein an, dann Susanne. „Klar?“
    Als die beiden nickten, fuhr er fort: „Gut! Und — ziehen Sie die
Samthandschuhe an.“
    Diese letzte Bemerkung hätte er sich wirklich sparen können. Sie
wussten selbst, dass sie in dieser Sache gar nicht vorsichtig genug sein
konnten.
    Da der Staatsanwalt zwar immer noch rote Ohren hatte, aber kein Wort
sagte, gingen die Polizisten davon aus, dass er einverstanden war.
    Susanne und Hellwein waren schon an der Tür, als Steffens sie noch
einmal zurückhielt. „Wie sind Sie eigentlich an diese Liste gekommen? Gute
Arbeit! Verdammt gute Arbeit!“
    Ziemlich betreten verließen sie das Büro. Die gute Arbeit war einzig
und allein Chris zu verdanken. Was blieb, war ein tiefer Griff in die
Trickkiste. Natürlich hatte Chris seine Quelle nicht preisgegeben. Er hatte nur
versichert, alles aus seiner Informantin herausgequetscht zu haben und berief
sich für weiteres auf seine Schweigepflicht. Das so zu verpacken, dass die
Staatsanwaltschaft damit auch vor Gericht bestehen konnte, blieb an den beiden
Polizisten hängen.
    Susanne beschloss, sich später darüber Gedanken zu machen. „Was meinst
du?“, fragte sie Hellwein, nachdem sie wieder in ihrem Büro waren und die Tür
fest verschlossen hatten.
    Sie lehnte sich mit dem

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