Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fehltritt Im Siebengebirge

Titel: Fehltritt Im Siebengebirge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
Vom Netzwerk:
deuten.
    Guido spürte, daß die Strukturen zumindest für diesen Abend neu geordnet werden mußten. »Marianne und ich zwitschern jetzt ab zum Driver-Rock. Babs hat damit nicht viel im Sinn und darf mit dem Repräsentanten der Obrigkeit ihr Vergnügen suchen – oder wollt ihr mitkommen?«
    Die Frage war alles andere als eine Einladung.
    »Wir bleiben hier im ›Old-Sound‹, nicht wahr?« erwiderte Klatte und bemerkte, wie Barbara sich entspannte.
    »Daß du ihn nicht verführst, Schwesterherz«, mahnte Guido. »Ein guter Beamter braucht seine ganze Kraft für den Staat. Haltet euch allzeit bereit und munter«, verabschiedete er sich, nahm Mariannes Hand und zog sie mit langgestrecktem Arm zum Ausgang.
    Barbara blickte erleichtert auf.
    »So, die sind wir los. Mein Bruder ist mir zu robust in Sachen Zärtlichkeit – und auch sonst.«
    »Hat er was mit der Richter?«
    »Ich glaube schon. Sie haben geschäftlich miteinander zu tun und sind manchen Abend unterwegs. Doch vielleicht mag sie lieber Erlenborn.«
    »Doppelkorn?«
    »Nein, sie hängt nicht an der Flasche. Ich meinte es anders.«
    »Ach so, ich verstehe – Erlenborn original.«
    »Lassen wir’s. Da gibt es komplizierte Zusammenhänge und Überlegungen – husch fort damit! Wie sagte Marianne? Heute ist Tango-Time.«
    Es wurde eine lange Nacht, eine Nacht für zwei Menschen, die ihren Gefühlen nicht ausweichen wollten.

 
    Kapitel 4
     
     
     
    Seit dem Abend im »Old-Sound« waren gut drei Wochen vergangen. Der Pensionär Wessendorf wanderte mit seinem zwölfjährigen Enkel Mathias über den Rheinhöhenweg.
    Der Morgen war mild, und die Sonne suchte ihre Bahn.
    Den Passat hatten sie oberhalb des Dornhecken-Sees an der durch den Ennertwald laufenden Straße abgestellt. Sie wollten über die Dollendorfer Hardt zum Kloster Heisterbach und von dort durch die Rosenau den 461 Meter hohen Großen Ölberg besteigen. Oben erwartete sie nicht nur eine der schönsten Aussichten über die vierzig Erhebungen des Siebengebirges, sondern auch das Rasthaus mit seinem kühlen Bier und einer Fanta zu frisch gebackenen Waffeln mit heißen Kirschen.
    Die kleinen Bäche waren es, die Siefen oder Siepen, die der Landschaft ihren Namen gegeben hatten. Als aus den Siefen dann die heilige Zahl Sieben geworden war, fand man auch schnell die sieben wichtigsten Höhen, die echte Bonner der Reihe nach aufsagen können.
    Der Drachenfels war ohne Zweifel berühmter als der Ölberg, doch die Bonner hielten es so wie die Hamburger mit ihrem Michel. Sie gingen einmal freiwillig zu Fuß hinauf, zum »höchsten Berg Hollands«. Das reichte dann. Nur wer den Bärentreiber für seinen Besuch spielen mußte, plante den Drachenfels mit ein – und nahm die Zahnradbahn oder die Autostraße zum Petersberg.
    Der Große Ölberg, die Wolkenburg, der Lohrberg, die Löwenburg und der Nonnenstromberg, das Einsiedlertal oder das Tretschbachtal – das war nicht der Sagen- und Märchenkitsch zum Nepp der Touristen mit Strohhut und Wanderstock. Hier war noch die Stille und die erhabene Schönheit des Siebengebirges. Der Rheinhöhenweg knüpfte das Band von Kuppe zu Kuppe, vorbei an den senkrecht abfallenden Wänden der stillgelegten Basaltsteinbrüche über Aussichtspunkte, wo der Rhein und die fernen Berge der Eifel facettenhaft durch das Blattwerk der Bäume schimmerten.
    Mathias war noch in einem Alter, in welchem der Ausflug mit dem munteren »Grand-Pere« – wie er den Großvater dank der ersten Französischkenntnisse aus dem Beethoven-Gymnasium nannte – keine lästige Pflicht, sondern ein kleines Abenteuer bedeutete. Grand-Pere hatte ihn nie überfordert. Immer gab es ein Ziel, das zugleich Belohnung war.
    Der kleine Exkurs in die Geschichte der ehemaligen Zisterzienserabtei Kloster Heisterbach mit seiner so dramatisch an den Berg angelehnten Ruine des Kirchenchores, den Grand-Pere sich für diese Wanderung vorgenommen hatte, blieb Mathias jedoch ebenso versagt wie die duftenden Waffeln auf dem Ölberg.
    Diese Wanderung würde für ihn sein Leben lang mit Bildern von Schrecknis und Tod verbunden sein.
    Auf nur der Hälfte des Weges zur Rabenlay, hoch über dem Rheintal, in dem endlich die rechtsrheinische Autobahn nach Königswinter fertiggestellt war, wandte Grand-Pere sich an Mathias: »Bleib zurück, Junge. Vorsicht! Gleich hinter dem Zaun ist die Steinbruchkante.«
    Doch die Neugier war so stark, daß Mathias vorsichtig das an mehreren Stellen aufgeschnittene und niedergetretene

Weitere Kostenlose Bücher