Fehltritt Im Siebengebirge
alarmieren.«
Mit schnellen Schritten hatten sie in wenigen Minuten die Oberkasseler Straße erreicht.
»Es ist zwar nicht weit, aber wir nehmen den Wagen. Das geht schneller, und wir sind beweglich«, erklärte Grand-Pere.
Mathias hatte auf dem Beifahrersitz Platz genommen und wartete ungeduldig auf den Start.
»Nicht den Kopf verlieren – anschnallen«, kam die Belehrung. »Wer Pflichten hat, braucht sich nicht aufzuregen. Der muß nur das Notwendige tun.«
Sie fuhren bergab, unter den breitausladenden Brückenteilen des Autobahnkreuzes Bonn-Ost hindurch. Gewaltige Betonmassen waren, zum Entsetzen von Naturfreunden und Ökologen, in den Ennerthang hineingestampft worden.
Aus diesem Gewirr von Zu- und Abfahrten, eingepackt wie in den gordischen Knoten, erhoben sich die Gebäude der ehemaligen Deutschordens-Kommende. Bizarr verbauter Trachyt aus dem Siebengebirge und das Gefühl jener Zeit für Kraft und Proportionen hatten hier schon im 13. Jahrhundert einen Ordenssitz geprägt, der den Herrschaftswillen der Kreuzritter bekundete. Doch ohne die wirtschaftliche Hilfe eines Mäzens im 20. Jahrhundert wäre der Kommende der Abbruch oder eine kümmerliche Zukunft beschieden gewesen. Jetzt bot sie, gründlich restauriert, Raum für das Schloßmuseum, für Antiquitäten, für ein gepflegtes Hotel und ein stilvolles Cafe mit Blick auf die Stadt und den Rhein.
Das Telefon stand selbstverständlich zur Verfügung. Grand-Pere wählte 1-1-0 und gab seine Meldung durch. Knapp und präzise. Mathias stand daneben und hörte aufmerksam zu.
»… Notarzt muß wohl sein. Aber der wird auch nur den Tod feststellen können… richtig, ja, an der Kommende hoch. Der Zugang zum Blauen See ist etwas schwierig… nein, nicht der Dornhecken-See. Am besten nehmen Sie den Rheinhöhenweg und dann vom Rauchlochweg rechts ab an der Autobahn entlang. Sie werden ein Schlauchboot brauchen. Die Stelle, wo der Tote liegt, ist vollkommen unzugänglich… gewiß, ich werde mit meinem Enkel am Rastplatz sein, oberhalb des Blauen Sees. Wir gehen dorthin zurück.«
Wessendorf legte auf und dankte dem Geschäftsführer. »Hier wird es in den nächsten Stunden lebhaft werden. Da liegt ein Toter im Blauen See. Abgestürzt.«
Grand-Pere und Mathias waren kaum zwei oder drei Minuten am Rastplatz, als das Martinshorn des Polizeiwagens in der Ferne ertönte und schnell lauter wurde. Dann blinkte das Blaulicht durch die Bäume. UNI 11/22 kam mit schneller Fahrt über den Rheinhöhenweg heran, dicht gefolgt vom rot-weißen Notarztwagen.
Eine kurze Begrüßung; Wessendorf wies die Beamten ein. »Und Vorsicht. Dort, zehn Meter weiter, im Laub und Efeu hat Mathias Spuren entdeckt. Die könnten von dem Mann stammen, der wahrscheinlich dort links neben dem Busch abgestürzt ist.«
»Wir sichern das Gelände ab«, sagte der Streifenführer mit den drei Sternen auf den Schulterklappen. »Verdammter Leichtsinn! Wie oft ist der Zaun schon hergerichtet worden. Immer wieder wird er runtergetreten oder sogar mit der Drahtschere bearbeitet. Alles für einen Blick in dieses schreckliche Loch. Ein Fehltritt – und schon liegt man unten.«
Der Notarzt drückte sich vorsichtig durch die Lücke, durch die Mathias als erster gekrochen war. »Ich muß ja wohl einen Blick riskieren«, sagte der Arzt, legte eine Decke auf die Erde und schob sich genauso vorsichtig vor, wie die beiden Wanderer es getan hatten.
»Hier, nehmen Sie das Fernglas.«
»Ja, sehr gut, danke.« Der Arzt drehte am Okular und sah eine ganze Weile nach unten.
»Tot«, sagte er. »Wohl schon einige Zeit. Dem hilft niemand mehr. Gräßlich, da hinunterzustürzen.« Er wandte sich an den Polizeibeamten. »Sagt dem Krankenwagen über Funk, daß er abdrehen kann. Wir brauchen den Leichenwagen. Wie weit ist die Feuerwehr mit ihrem Schlauchboot?«
»Unterwegs. Muß gleich hier sein«, antwortete der Polizeihauptmeister.
»Ich werd’ mal versuchen, vom Rauchlochweg aus an die Unfallstelle heranzukommen. Seht zu, daß ihr das Schlauchboot und eine Trage runterschaffen könnt.«
Von einem Beamten des Streifenwagens wurde das Feuerwehrfahrzeug gleich am Dornheckensee über den Schotterweg im Tal weitergeleitet. Es dauerte noch eine knappe Viertelstunde, bis der Notarzt mit dem Schlauchboot an den Verunglückten herangerudert werden konnte.
Einige Basaltstücke lösten sich aus der Wand und kollerten in den See. »Hier knallen einem ja die Steine auf den Kopf«, meinte der Arzt. »Der Tote muß rüber an
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