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Fehltritt Im Siebengebirge

Titel: Fehltritt Im Siebengebirge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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Zeugen sind wir ja wohl nicht, denn wir haben nicht gesehen, wie das Unglück passiert ist.«
    »Aber ich habe doch Spuren entdeckt, und wir haben alles gemeldet«, maulte Mathias.
    »Ja, das stimmt. Und du siehst, durch unsere Meldung haben wir den Rettungsdienst und den ganzen Polizeiapparat in Bewegung gesetzt. Das kommt sicherlich auch in die Zeitung.«
    »Na, Grand-Pere, da werden die vom Beethoven-Gymnasium aber staunen.«

 
    Kapitel 5
     
     
     
    Die Meldung von UNI 11/22 erreichte Kriminalhauptkommissar Walter Freiberg in der kürzestmöglichen Zeit. Er saß trotz des freien Wochenendes um die Mittagsstunde in seinem Dienstzimmer im Polizeipräsidium am Schreibtisch. Seit drei Stunden las er mit höchster Aufmerksamkeit einen maschinengeschriebenen Text. Das ganze Wochenende war dafür vorgesehen, dem Entwurf der Dissertation den letzten Schliff zu geben und auch den geringsten Schreibfehler auszumerzen.
    Walter Freiberg war noch einmal eingetaucht in die Welt des wissenschaftlichen Denkens, in jene Welt, die langsam, aber sicher aus seinem Bewußtsein davondriftete.
    Nach dem glatt bestandenen Staatsexamen für das höhere Lehramt in Geschichte und Romanistik und dem Dienst in der Bundeswehr waren die Chancen für den Lehrberuf gleich null gewesen. Die Reservearmee der arbeitslosen Lehrer wuchs. Darum hatte er rechtzeitig umgesattelt, war Polizeibeamter und schließlich Chef des 1. Kommissariats in Bonn geworden. Der kurzgetrimmte Junglehrerbart war die verbliebene Erinnerung an seinen Lebenstraum.
    Mit etwas Wehmut im Herzen blätterte Walter Freiberg noch einmal zum Vorblatt zurück:
    »Die Heiratsprojekte der jungfräulichen Königin von England, Elisabeth L, als Mittel der Unabhängigkeitspolitik.«
    Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn vorgelegt von Sabine Hey den.
    Sabine hatte sich durch die äußeren Umstände nicht entmutigen lassen und war dem Fach treu geblieben. Ihre ganzen Zukunftshoffnungen hatte sie in die Dissertation hineingearbeitet. Freiberg und sie waren seit Jahren in Freundschaft und in Liebe verbunden. So war es selbstverständlich, daß er für sie in jeder freien Minute Korrektur las. Am Abend wollten sie bei »Fernando« in der Altstadt einen ordentlichen Wein trinken, ein paar Tapas essen und sich dann überlegen, was man weiter miteinander anfangen könnte.
    Das unerwartete Schrillen des Telefons hatte etwas Giftiges. Nach der stundenlangen konzentrierten Stille verursachte es bei Freiberg einen Adrenalinstoß und ließ ihn hochfahren. »Verdammt, wer weiß denn, daß ich hier bin?« Er nahm den Hörer ans Ohr und meldete sich.
    Es war die Einsatzleitstelle. »Versuch gelungen«, hörte er eine heitere Stimme. »Wir haben den richtigen Mann vom ersten Kommissariat an der Strippe. Der Kommissar vom Dienst hat gesagt, Sie müßten im Hause sein. Hier ist eine Meldung von UNI 11/22 für Sie.«
    Für so gelungen hielt Freiberg die Unterbrechung nicht, mochte sich auch dieser »CEBI«, die Computer-unterstützte Einsatzleitung, Bearbeitung und Information, am Glanz ihrer Technik erfreuen. Bis zu elf Funktische waren in drei Schichten rund um die Uhr besetzt. 45 000 Einsätze im Jahr wurden von hier aus gesteuert.
    Wenn sich bewahrheiten sollte, was die Meldung besagte, durfte er für die nächste Zeit die Königin von England vergessen.
    Er überlegte, ob er erst allein zum Blauen See hinausfahren oder gleich seinem ersten Mitstreiter, Kriminalhauptmeister Wolfgang Müller, das Wochenende verderben sollte. Der half jetzt sicherlich seiner Frau beim Abtrocknen des Mittagsgeschirrs und freute sich auf die Siesta. Damit würde er dem wenig heroischen Bild eines Kriminalbeamten entsprechen, wie es seine inzwischen erwachsen gewordene Tochter in ihrem Plapperalter so treffend gezeichnet hatte: »Mein Papa, der ist ein Kriminalonkel und ein Abtrockner.«
    Eine Meinungsumfrage in Ganovenkreisen hätte allerdings eine andere Beurteilung ergeben. Der stämmige Wolf gang Müller war bekannt für seinen festen Biß und wurde auch aus diesem Grunde von den Kollegen nur Lupus genannt. Er war die Seele des Kommissariats, kannte tausend Leute ebensogut wie die Umgebung von Bonn. Darum war es wichtig, ihn von Anfang an bei einer Sache dabeizuhaben, von der niemand wußte, wie sie ausgehen würde.
    Schon beim zweiten Läuten war Lupus am Apparat. Sein Entzücken über die Störung hielt sich in Grenzen.

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