Fehltritt Im Siebengebirge
»Hoher Chef und Kegelbruder, sag ihr das selbst – dann habe ich ein Alibi.« Damit hatte Freiberg Frau Müller am Ohr. »Bei dem Dienst gehen ja die besten Pferde kaputt. Als Nachtisch schon wieder eine Leiche«, lamentierte sie, ohne ihn zu begrüßen.
»Tut mir wirklich leid… am Wochenende… muß leider sein. Sehr bedauerlich.« Mit diesen und ähnlichen nicht viel hilfreicheren Worten versuchte Freiberg den Haussegen geradezurücken. »Ich schicke einen Wagen vorbei. Vielleicht dauert das alles nicht lange – ist hoffentlich nur ein Unfall.«
»Das Spiel kenne ich«, sagte Frau Müller kurz. Der Hörer war wieder am Ohr von Lupus gelandet. »Alles klar, Chef, meine Frau freut sich, daß ich arbeiten darf. Wir treffen uns am Tatort – oder was immer das für ein Örtchen sein mag.«
Hauptkommissar Freiberg nahm seinen roten R4. Er hoffte, dadurch von Dienstfahrzeugen unabhängig zu sein und nach Belieben in die Stadt zurückfahren zu können. Vom Präsidium aus war der Rheinhöhenweg über die Konrad-Adenauer-Brücke auch mit dürftigen PS schnell zu erreichen.
Der Aufmarsch der neuen Akteure entbehrte nicht einer gewissen Dramaturgie. Als erster kam Freiberg an. Am Rastplatz, oberhalb des Blauen Sees, sperrte ein Streifenbeamter von UNI 11/22 den Weg. »Sie können hier nicht weiterfahren. Wo kommen Sie überhaupt her? Der Rheinhöhen weg ist für Kraftfahrzeuge gesperrt. Das gilt auch für die Presse oder – wer sind Sie eigentlich? Darf ich Ihren Ausweis sehen?«
»Aber gern, bitte«, erwiderte Freiberg und reichte seinen Dienstausweis heraus.
Der junge Beamte zeigte keinen falschen Respekt. »Danke, Herr Hauptkommissar. Wie kann ich wissen, wer Sie sind – mit so einem Wagen. Die Kollegen sind unten am See. Der Verunglückte ist von hier oben abgestürzt. Nur Vorsicht bitte. Da vorn sind vielleicht Spuren, und hinter dem Zaun geht es abwärts – für immer.«
Während Freiberg sich noch einen Überblick verschaffte, preschte als nächster mit Blaulicht und nervtötendem Martinshorn der Kripowagen UNI 81/10 heran. Lupus sprang heraus und winkte dem Fahrer zu. »Der Peters ist gefahren wie eine gesengte Sau«, stellte er anerkennend fest. »Und da geht’s abwärts, Chef?«
»Ja, einmal und für die Ewigkeit, wie unser uniformierter Kollege meint.«
»Ist die Leiche schon abtransportiert?«
»Nein, die liegt am Hohlweg. Sie können sie noch ansehen. Der Leichenwagen ist bereits unterwegs«, erklärte der Polizist.
»Chef, das ist zuviel verlangt als Dessert. Du weißt doch, die ganz Toten liegen mir nicht. Ich habe mich nach dem Essen mit Küßchen den Armen meiner Frau entwunden – die Erinnerung möchte ich nicht trüben. Ich sehe mich hier oben ein wenig um.«
Erheblich langsamer als UNI 81/10 rollte der Leichenwagen an. »Ich fahre mit runter«, rief Freiberg und quetschte sich noch auf den Beifahrersitz. »Wir müssen vierhundert Meter zurück zum Dornhecken-See und dann über den Schotterweg an den Blauen See heran. In Höhe der Fußgängerbrücke über die Autobahn geht links der Hohlweg ab. Da liegt der Tote.«
Kriminalhauptmeister Müller setzte sich auf eine Holzbank des Rastplatzes am Rheinhöhen weg und sah sich in aller Ruhe um. Vor ihm der beschädigte Zaun. Nicht weit davon ließen sich Tritt- oder Schleifspuren wahrnehmen, die auf die zweite Lücke im Drahtgeflecht zuliefen. Müller stand langsam auf und trat einen Schritt vor. Der Lupus in ihm schien Witterung aufzunehmen.
»Da ist ein Elefant gelaufen, aber kein leichtfüßiger Sportsmensch. Die Spur, wenn es eine ist, stinkt.«
Der dagebliebene Beifahrer von UNI 11/22 war hinzugetreten und sah ihn fragend an. Er kannte den Kollegen von der Mordkommission. »Kein Unfall?«
»An Unfälle glaube ich erst dann, wenn die Versicherung abgerechnet hat. So, mein Freund, nun wollen wir einmal so tun, als hätten wir unser Handwerk gelernt: Erstens UNI einundachtzigzehn bleibt hier oben als mobiler Meldekopf mit Funk. UNI elfzweiundzwanzig und die anderen unten am See können sich um die Leiche kümmern. Peters, gib das der Leitstelle durch, CEBI braucht Futter. Zweitens: Vom Weg bis zur Unfallstelle wird alles abgesichert. Das machen bitte meine uniformierten Brüder, klar? Neugierige werden verscheucht. – Es würde allerdings den Dienstpflichten widersprechen, sie in den Steinbruch zu werfen. Drittens: Die Spurensicherung muß her. – Anforderung an die Leitstelle. Viertens: Wir müssen den Wagen finden, mit dem unser
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