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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Kräfteverhältnis annehmbar, wenn auch nicht ganz fair gewesen. Fünf gegen drei. Aber die überragende Feuerkraft der
Tornade
verschob das Kräfteverhältnis ganz gewaltig zu ihren Ungunsten.
    Er preßte den Mund zu einer dünnen Linie zusammen.
    »Der Wind flaut etwas ab, Sir«, meldete Gossett verdrießlich.
    »Das ist die typische Bosheit der Biskaya.«
    Bolitho nickte. Wenn der Wind ganz aufhörte, würde das ihr erstes Scharmützel noch verheerender machen und ihre Aussichten, Lequillers Schiffe so zu beschädigen, daß er seinen Plan verschieben oder aufgeben mußte, noch unwahrscheinlicher.
    Unterhalb der Reling hörte Bolitho leise Stimmen, und als er hinunterschaute, sah er einige Seeleute, die sich an den Laufbrücken hochgezogen hatten und die näherkommenden Schiffe beobachteten, wobei sie wohl die Stärke des Feindes erkannten.
    Das war schlecht. Auf die Annäherung des Feindes zu warten, war immer der schlimmste Teil des Gefechts. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, und während der ganzen Zeit konnte man nichts anderes tun, als beobachten und überlegen; dabei ging leicht die Zuversicht verloren und machte Verzweiflung Platz.
    Bolitho winkte einem der Spielleute. »Komm her, mein Junge.« Der Trommelbube schaute ängstlich unter seinem Tschako zu ihm hoch. »Kannst du auch Querpfeife spielen?« Er bemühte sich, ihm zuzulächeln, und spürte, wie sich dabei die Haut an seinen Mundwinkeln schmerzhaft verzog.
    »Jawoll, Sir!« Der Knabe zuckte aufgeregt mit den Wimpern und zog die Pfeife aus seiner Bandeliere.
    In diesem Augenblick, als Bolitho versuchte, sich eine Melodie oder einen Shanty einfallen zu lassen, mit dem er die Aufmerksamkeit der Männer vom Feind ablenken konnte, ertönte aus dem Achterschiff ein schrecklicher Schrei. Er hielt auf gleicher Tonhöhe immer noch an, als die Männer an den Kanonen auf den dunklen Gang hinter dem Steuerrad starrten, der zur Kajüte führte. Ein Rudergänger löste sogar den Griff um die Radspeichen und sah sich entsetzt um.
    Der schreckliche Schrei brach ab, sein Echo schien aber noch lange in der Luft zu hängen. Bolitho biß die Zähne zusammen und versuchte, nicht an den fetten, nackten, auf dem Tisch festgehaltenen Leib zu denken, in den das Messer des Schiffsarztes den ersten tiefen Einschnitt getan hatte.
    Er fragte scharf: »Also?«
    Der Trommelbube hob die Pfeife, aber seine kleinen rauhen Hände zitterten, als er sie an die Lippen führte.
    Gossett sagte barsch: »Wie wär’s mit dem
Mädel aus Portsmouth
«
.
Er warf den Kanonieren und den reglos dastehenden Seesoldaten einen drohenden Blick zu. »Los, singt, ihr Waschlappen, oder ich fahre gleich zwischen euch!«
    Als ein neuer schrecklicher Schrei die Luft zerriß, wurden die schwachen Pfeifentöne von den Matrosen auf dem Achterdeck aufgenommen, dann – zunächst langsam – von den Bedienungen der Zwölfpfünder und sogar von einigen Leuten oben auf den Gefechtsständen der Masten.
    Bolitho ging auf die Luvseite und hielt das Gesicht in den Wind. Die Stimmen der Männer, die lauter wurden und sich über den Wind erhoben, das geistige Bild von Pelham-Martins Qualen, alles war Teil der Unwirklichkeit um ihn herum. Aber fast am schlimmsten waren die Worte des Liedes, das Gossett so eilig vorgeschlagen hatte, um die Schreie aus der Kajüte zu übertönen.
    »Ich kannte ein Mädel in Portsmouth Town…«
    Es war der gleiche Shanty, den sie gesungen hatten, als die
Hyperion
sich an jenem bitterkalten Wintermorgen aus dem PlymouthSund freigearbeitet hatte.
    Er wandte den Kopf, als einer von Trudgeons Gehilfen mit einem Leinenbündel aus der Hütte trat. Der Mann hielt einen Augenblick inne und lauscht dem Gesang, bevor er das blutbefleckte Bündel über die Leereling warf.
    Bolitho fragte: »Wie ging es?«
    Der Sanitätsmaat zog eine Grimasse. »Ein kleiner Splitter, Sir, nicht größer als meine Fingerspitze.« Zornig zuckte er die Achseln.
    »Aber Eiter und Dreck für zehn Männer!«
    »Verstehe.« Es war sinnlos, weitere Fragen zu stellen. Der Maat war nur eine Verlängerung von Trudgeons Armen, mit denen ein Opfer festgehalten wurde; die Schrecken seines Berufs hatten ihn so abgehärtet, daß er für Gefühle kein Organ mehr besaß.
    Bolitho ließ ihn stehen und hob wieder das Teleskop. Wie schnell die französischen Schiffe eine Kiellinie gebildet hatten und wie unzerstörbar sie aussahen! Unter gerefften Segeln, die Rümpfe in dem eigenartigen Licht matt glänzend, schienen sie sich wie an

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