Feind in Sicht
infiziert.« Er schaute weg, da er die angsterfüllten Blicke des Mannes nicht mehr ertragen konnte.
Der Narr. Der arme, ängstliche Narr! Um einer Entscheidung aus dem Wege zu gehen, hatte er sich diese schreckliche Geschichte eingebrockt. Er dachte plötzlich an die Schiffe und all die Menschen, die von ihm abhängig gewesen waren, und setzte entschieden hinzu: »Es gibt keine andere Möglichkeit, Sir.« Er nickte Trudgeon zu. »Sie haben meine Einwilligung.«
Pelham-Martin schrie: »Ich befehle Ihnen…« Er wand sich hin und her, der Schweiß lief ihm über die Brust, als er Inch ins Auge faßte: »Ich habe Kapitän Bolitho bereits seines Kommandos enthoben!«
Über sich auf der Schanz hörten sie plötzlich Getrappel und gedämpfte Hochrufe. Sie sahen einander an und drehten sich wie auf Kommando zur Tür um, als Midshipman Carlyon hereinstürzte.
»Sir!« Er dämpfte die Stimme, als er den leidenden Kommodore sah. »Signal von
Hermes
!« Er hob sein zerschlissenes Notizbuch näher an die Augen. »Unbekanntes Segel im Nordwesten.«
Bolitho sah ihn an. »Vielen Dank, Mr. Carlyon. Nun aber schleunigst zurück zu Ihren Flaggen!« Und zu Inch sagte er: »Ich komme gleich an Deck.« Er lächelte. »Und Dank für Ihre Loyalität.«
Dann wandte er sich um und schaute auf den Kommodore hinunter. »Es muß Lequillers Geschwa der sein, Sir. Ich werde Sie auf dem laufenden halten, soweit es mir möglich ist.« Er ging zur Tür, gerade als Trudgeon seinen Leuten winkte, hereinzukommen.
Die Luft an Deck war sauber und erfrischend. Ein leichter Sprühregen hatte eingesetzt, aber der Wind wehte noch immer beständig aus Südwesten, und der Wimpel an der Mastspitze stand fast bewegungslos vor dem trüben Himmel.
Gossett berichtete: »Kurs West zu Nord. Voll und bei, Sir.«
Bolitho nickte und hob ein Teleskop ans Auge. Backbord voraus konnte er die Obersegel der
Hermes
wie gestochen erkennen.
Carlyon rief: »Von
Hermes,
Sir! ›Schätze auf fünf Linienschiffe‹!«
Bolitho senkte sein Glas und sah Inch an. All diese Tage und Wochen des Wartens, Hoffens und Planens hatten sie zur rechten Stunde an die richtige Stelle gebracht.
Er befahl: »Gehen Sie einen Strich nach Steuerbord, Kurs Westnordwest. «
Während Inch nach seinem Sprachrohr suchte, winkte Bolitho Midshipman Carlyon zu sich heran und sah, wie Inch innehielt, um zuzuhören.
»Mr. Carlyon, machen Sie ein Signal für das ganze Geschwader.« Er zögerte, als er die Blicke der Leute rundherum auf sich gerichtet sah.
»Feind in Sicht!«
Als die Signalflaggen hochstiegen und auswehten, fragte sich Bolitho, was die anderen Kommandanten wohl empfinden würden, wenn sie das Signal ablasen. Als sie noch in St. Kruis über seine Gedanken und Vorschläge nachgedacht hatten, mußten sie Zweifel, viele Zweifel gehabt haben. Jetzt aber, angesichts dieses Signals, würden sich ihre Zweifel verflüchtigen und ihre Gedanken sich nur noch auf den bevorstehenden Kampf richten. Auf einen Kampf, bei dem es um Leben oder Tod ging.
Achteraus, auf der
Impulsive,
war das ›Verstanden‹-Zeichen bereits gehißt. Er konnte sich vorstellen, mit welchen Augen Herrick jetzt sein Schiff ansah, sein erstes Kommando, das er vielleicht binnen weniger Stunden wieder verlieren würde.
Er zog seine Uhr aus der Tasche und ließ den Deckel aufschnappen. Genau zwei Uhr. Wie zur Bestätigung schlug die Schiffsglocke auf der Back viermal an.
Als er sein Teleskop wieder hob, sah er, daß die
Hermes
größer und deutlicher geworden war. Er dankte Gott für die guten Augen ihres Ausgucks. Wie leicht hätten die beiden Geschwader aneinander vorbeifahren können, ohne etwas vom anderen zu bemerken. Oder was wäre gewesen, wenn sie einander gerade im Augenblick des Kontaktes in einer Regenbö wieder aus den Augen verloren hätten?
Lequiller hatte sehr wahrscheinlich seinerseits die
Hermes
gesichtet und kaum eine andere Wahl, als sie anzugreifen. Denn die
Hermes
stand zwischen ihm und seinem Ziel, der Küste, und da das Tageslicht noch mehrere Stunden anhielt, mußte er diesen dürftigen Gegner vor seinem Bug zum Kampf stellen und vernichten, wenn er nicht vom Jäger zum Wild werden wollte.
Bolitho befahl: »Signal an
Hermes
: Nehmen Sie Position hinter mir ein!« Er dachte wieder an Herrick. Ihn würde dieses Signal sicher enttäuschen, aber wenn sein Vierundsechzig-Kanonen-Schiff den ersten Zusammenprall überstehen sollte, mußte er den beiden stärkeren Zweideckern den Vortritt mit
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