Feind in Sicht
Schultern und nannten ihm beim Namen, als er an ihnen vorbeikam, als hätte er allein sie vor einer Katastrophe bewahrt. Als er das Heck erreichte, fragte er benommen: »War’s so in Ordnung, Sir?«
Bolitho sah ihn ernst an. »Ja, Mr. Pascoe.« Freude trat in das schmutzbedeckte Gesicht des Jungen. »Es ist alles in Ordnung.«
Wie ein Blinder tastend, schob sich Bolitho auf den abgeflachten Felsblock hinauf, wartete, bis er wieder zu Atem kam, und lauschte in die Dunkelheit hinaus. Der weite Sternenhimmel über ihm wurde bereits blasser, und als er sich der leichten Brise zuwendete, glaubte er, die Morgendämmerung riechen zu können. Es war sehr kalt, und unter dem offenen Hemd fühlte seine Haut sich kühl und klamm an. Er studierte die welligen Hügel am fernen Horizont und fand Zeit, sich darüber zu wundern, daß seine kleine Streitmacht überlebt hatte, um sie sehen zu können. Im Augenblick schien es ihm, als ob er der einzige lebende Mensch in dieser gottverlassenen Gegend wäre. Doch hinter ihm, am Fuß des Steilhanges, waren die anderen bereits wach und bereiteten sich auf den Weitermarsch vor, tasteten nach ihren Waffen und warteten auf neue Befehle, gleichgültig, wie unüberwindlich die Hindernisse und wie vergeblich ihre Anstrengungen sein mochten.
Bolitho reckte die Arme und spürte, wie seine Muskeln gegen die plötzliche Bewegung protestierten. Unwillkürlich mußte er an seine Leute denken, wie sie am vergangenen Abend aus dem Sumpf getaumelt waren: verdreckt und dem Zusammenbruch nahe, mit Augen, die fast dankbar leuchteten, weil sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Viele hatten seit Monaten keinen Fuß mehr an Land gesetzt, und nach der mörderischen Fahrt durch den Sumpf waren sie beinahe nicht mehr fähig zu stehen, so daß sie wie Betrunkene geschwankt oder sich gegenseitig gestützt hatten. Er biß sich auf die Lippen und verfluchte den Zeitmangel. Vielleicht waren sie noch zu erschöpft, zu benommen, um die Aufgabe zu erfüllen, für die sie von so weit hergekommen waren. Und vielleicht hatte Pelham-Martin seine Pläne geändert und würde nicht einmal einen weiteren Angriff unternehmen, wie er versprochen hatte.
Beinahe wild schüttelte er die nagenden Zweifel ab und stieg den Abhang wieder hinunter, wo Leutnant Lang auf ihn wartete.
»Alle Leute sind verpflegt, Sir. Ich habe ihnen doppelte Rationen Wasser gegeben, wie befohlen.«
Bolitho nickte. »Gut. Niemand kann von ihnen erwarten, daß sie den Sumpf noch einmal überqueren, also sollen sie lieber mit vollem Magen zum Kampf antreten.«
Lang erwiderte nichts, und Bolitho konnte sich vorstellen, daß er wahrscheinlich an die einzige Alternative dachte: daß die Leute für die nächste Verpflegung kämpfen und gewinnen mußten. Oder sich ergeben.
Bolitho war unruhig. »Mr. Quince sollte inzwischen zurück sein. Wir müssen sofort abmarschieren, wenn wir unsere Position rechtzeitig einnehmen wollen.«
Lang hob die Schultern. »Merkwürdig, wenn man sich vorstellt, daß direkt hinter diesen Bergen die See liegt. Hier kommt man sich vor wie in einer Einöde.«
Eine Stimme rief rauh: »Hier kommt Mr. Quince, Sir.«
Die große Gestalt des Leutnants tauchte wie ein Gespenst aus der Finsternis auf. Sein zerfetztes Hemd wehte in der Brise, als er mit den drei Matrosen, die er als Kundschafter mitgenommen hatte, den Abhang herunterkam.
»Nun?« Bolitho konnte seine Unruhe kaum unterdrücken.
Quince setzte eine Flasche an die Lippen und trank gierig. Unbeachtet rann ihm Wasser über die Brust.
Er sagte: »Genau, wie Sie gedacht haben, Sir. Auf der anderen Seite liegen die Geschütze in Stellung.« Er rülpste laut. »Da ist ein Sattel zwischen den Hügeln, deshalb war die Batterie von See her nicht auszumachen.«
Bolitho schauderte leicht. »Wie viele Geschütze?«
Quince rieb sich das Kinn. »Sieben oder acht Feldgeschütze, Sir.
Bei der Stellung selbst stehen Posten, und weitere wachen rechts von uns. Es ist eine Art Straße da, die an der Bucht entlang zur Stadt führt, und an ihrer schmälsten Stelle haben wir eine Laterne gesehen. «
»Ich verstehe.« Bolitho spürte, wie die Erregung ihn packte.
»Und zwischen diesen beiden Posten sind keine Wachen?«
»Keine«, versicherte Quince nachdrücklich. »Warum auch? Mit dem Sumpf im Rücken und der Bucht vor sich, müssen sie sich wirklich völlig sicher fühlen.«
»Dann wollen wir aufbrechen.«
Bolitho drehte sich um, um den Abhang hinunterzugehen, blieb aber
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