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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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ziehen.«
    Er richtete sich auf und blickte gelassen über das Boot. »Bringen Sie die Schleppleinen wieder aus, Mr. Shambler. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.«
    Er beobachtete, wie die Leute aus dem Boot stiegen, fast bis zur Unkenntlichkeit mit getrocknetem Schlamm bedeckt, den Blick starr auf einen Punkt jenseits der nächsten Schilfinsel gerichtet. Mit müden Bewegungen folgte er ihnen und nahm seinen Platz an der Spitze der Schleppmannschaft ein. Allday hatte recht, es war Wahnsinn gewesen, sich zu dieser Geste verleiten zu lassen. Die meisten Kommandanten hätten den Mann ergreifen und trotz dieser Situation auspeitschen lassen, bis er keine Haut mehr auf den Rippen hatte. Und zwar mehr als Strafe für die offene Herausforderung denn als Vergeltung dafür, daß er seine Kameraden um ihr Wasser bestohlen hatte.
    Die Leine wurde plötzlich schlaff, und beinahe wäre er vornüber in den Schlamm gestürzt. Als er sich umdrehte, sah er die Leute das Boot mit solcher Kraft ziehen, daß es über den Sumpf glitt und mit seinem Vordersteven Wasserpflanzen und Schlamm teilte, als würde es von unsichtbaren Händen getrieben.
    Der ihm nächste Mann keuchte: »Wir kommen hin, Sir. Machen Sie sich bloß keine Sorgen.«
    Bolitho nickte. Er wandte sich wieder um und blickte auf die schwankenden Binsen vor ihnen. Schwankten sie wirklich? Er strich sich mit dem Handrücken über die Augen, um den Dunst zu vertreiben, doch als er hinsah, war er immer noch da.
    Allday, der vorn an der anderen Leine zog, sah zu ihm hinüber und seufzte. Er hatte die Überraschung in Bolithos Augen bemerkt, das plötzlich aufwallende Gefühl, als der Kommandant erkannte, daß die Leute sich jetzt stärker einsetzten, nicht für irgendeine Sache, sondern allein für ihn.
    Allday wußte seit langem, daß die meisten Matrosen alles für einen Offizier taten, der sie gerecht und menschlich behandelte. Merkwürdig, daß nur Bolitho diese Tatsache nicht bekannt sein sollte, obwohl er es besser hätte wissen können als jeder andere.
    Am frühen Nachmittag gab Bolitho das Zeichen zum Halten, und die keuchenden Männer kletterten in das Boot zurück, zu erschöpft, um zu beobachten, wie die Kanister für die Wasserausgabe bereitgemacht wurden.
    Bolitho inspizierte der Reihe nach jedes Boot. Sein Verstand rebellierte gegen das, was er sah. Sie waren beinahe am Ende ihrer Kräfte, und keiner sah mehr über das eigene Boot hinaus. Die me isten hockten mit hängenden Köpfen da, gefühllos gegenüber den Insekten, die ihnen in die Augen und aufgesprungenen Lippen krochen, während sie dumpf wie Tiere auf den nächsten Befehl warteten.
    Er winkte Pascoe zu sich. »Also, mein Sohn, dies ist der entscheidende Moment.« Er sprach gedämpft, sah aber, wie das Gesicht des Jungen plötzlich aufleuchtete. »Klettere an dem Riemen hinauf und schau dich nach allen Seiten um. Laß dir Zeit und zeige keine Enttäuschung, wenn nichts in Sicht ist.« Er legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Alle werden dich beobachten. Denk daran.«
    Er ließ sich wieder gegen die Ruderpinne sinken, während Pascoe zwischen den erschöpften Gestalten hindurch nach vorn kletterte und mit schief gelegtem Kopf zu dem Riemen hochblickte, der im Bug aufgerichtet worden war. Er kletterte am Schaft hinauf. Sein Körper hob sich scharf von dem verwachsenen Blau des Himmels ab, während er sich reckte, um über Schilf und Binsen in die Ferne zu spähen.
    Allday flüsterte: »Bei Gott, ich hoffe, daß es etwas zu sehen gibt.«
    Bolitho rührte sich nicht; als ob er, wenn er den Jungen ablenkte, sie um ihre letzte Chance bringen könnte.
    »Nichts voraus, Sir.«
    Einige der Matrosen waren aufgestanden und starrten zu der schlanken Gestalt über ihnen auf. Sie ließen die Arme schlaff hängen wie zum Tod verurteilte Gefangene.
    »Aber an Backbord, Sir.« Pascoe rutschte ab und klammerte sich mit den Beinen fester. » Eine Anhöhe. Etwa zwei Meilen entfernt.«
    Bolitho senkte den Blick auf den Kompaß. An Backbord. Etwa nordwestlich von der Stelle, an der sie lagen.
    »Ist sie spitz und hat einen Steilhang auf einer Seite?«
    »Ja, Sir.« Die Stimme des Jungen klang plötzlich fest. »Ja, Sir. Ich kann es gerade erkennen.«
    Bolitho sah Allday an und schloß den Kompaß mit einem Schnappen. »Dann haben wir’s geschafft.«
    Pascoe rutschte am Riemen herab und ging mit unsicheren Schritten zwischen den krächzend jubelnden Matrosen nach achtern. Die Männer klopften ihm auf die mageren

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