Feind in Sicht
gerannt sein.
»Was gibt’s, Junge?«
»Mr. Lang läßt melden, daß auf der Straße von der Stadt her So ldaten anmarschieren. Sie sind noch ungefähr zwei Meilen entfernt, kommen aber sehr schnell näher.« Er blickte zu den Schiffen hinunter, als ob er sie zum erstenmal sähe.
»Wie viele sind es, Mr. Pascoe?« fragte Quince.
Der Junge hob die Schultern. »Mehrere Hundert, Sir.«
Bolitho sah Quince an. »Ob Franzosen oder Spanier, kann uns gleichgültig sein. Sie wollen uns an den Kragen, und Mr. Lang kann nicht mehr tun, als ihren Angriff einige Minuten aufzuhalten.« Er zog seine Uhr. »Wo, zum Teufel, bleiben nur unsere Schiffe?«
Pascoe blickte wieder zu ihm auf. »Haben Sie Befehle für Mr.
Lang, Sir?«
Er sah sich nach Fox um, als der kleine Artilleriemaat sich aufrichtete und schrie: »Zwei Treffer, Jungs! Das wird die Froschfresser was lehren.«
Bolitho sagte ruhig: »Er soll mich auf dem laufenden halten.« Er blickte Pascoe nach, der schon wieder zurücklief, und fügte hinzu: »Wenn der Kommodore nicht sehr bald mit seinem Angriff beginnt, Mr. Quince, fürchte ich, daß er zu spät kommen wird.« Er deutete auf das nächstgelegene Schiff, wo Matrosen bereits aufenterten und auf die Rahen ausschwärmten. »Der da hat schon die Nerven verloren. Wenn der Kommodore erst in ein oder zwei Stunden eintrifft, wird er uns tot vorfinden und die Schiffe werden verschwunden sein.«
Quince nickte düster. »Vielleicht ist er aufgehalten worden, Sir.« Bolitho beobachtete, wie der Qualm über den Rand der Klippen abzog. Der Wind wehte frisch und stetig. Es gab keine Entschuldigung dafür, daß ihre Schiffe nicht wie versprochen angriffen.
Er sagte knapp: »Lassen Sie weiter feuern. Und sagen Sie Mr.
Fox, er soll sich mit dieser verdammten Esse beeilen.« Dann ging er angestrengt nachdenkend auf die Zelte zu.
Mr. Selby
Fox, der Artilleriemaat, hielt Wort: er bewirkte Wunder mit der primitiven Esse. Dank reichlich ausgestreutem Pulver und dürrem Ginster brannte bald sein Feuer, er kauerte abwartend vor der eisernen Klappe und nickte befriedigt, ehe er zurückrannte, um seine Leute zu überwachen.
Bolitho blinzelte in die Sonne, die jetzt blendend über dem spitzen Berg stand. Dann ging er zum Rand der Klippe, um die unten verankerten Schiffe zu beobachten. An die Stelle der ersten Panik waren jetzt geordnete Vorbereitungen zum Auslaufen getreten, aber er vermutete, daß alle Schiffe so fest und gründlich miteinander vertäut waren, daß es mindestens noch eine halbe Stunde dauern würde.
»Ich gehe zu Mr. Lang«, verkündete er knapp. »Melden Sie mir, wenn die Kugeln glühen.« Von Allday begleitet, wendete er sich ab und ging hastig auf die Fahrspur zu. Er war von der grell leuchtenden leeren See benommen und spürte, wie Verzweiflung in ihm aufstieg.
Lang und seine Leute waren um die schmale Straße ausgeschwärmt, hinter Felsbrocken Deckung suchend, die Musketen auf die Biegung gerichtet, die hinter dem Berghang verschwand, von wo der Angriff zu erwarten war.
Lang erblickte Bolitho und richtete sich hastig auf. »Wir haben die Soldaten aus der Sicht verloren, Sir. Aber sie müssen jetzt jeden Augenblick um die Biegung auftauchen.«
Bolitho winkte Carlyon zu sich. »Sagen Sie Mr. Quince, er soll sofort zwanzig weitere Leute herschicken.«
Zu Lang fuhr er fort: »Wir können die Straße eine Weile halten, vorausgesetzt, daß die Soldaten uns nicht in den Rücken fallen können.« Er dachte laut, versuchte, sich den Abhang und das Gelände dahinter so vorzustellen, wie erprobte Landkämpfer es sehen würden. Es erschien unglaublich, daß so viele Truppen an einen solchen Ort geschafft werden konnten; falls Lequiller sie hergebracht hatte, waren seine Absichten noch schwerer zu durchschauen.
Als weitere bewaffnete Matrosen keuchend eintrafen, rief er laut: »Auf dem Abhang ausschwärmen! Nicht schießen, ehe ich den Befehl gebe!«
Lang trat unruhig von einem Bein auf das andere. »Schon etwas von dem Geschwader zu entdecken, Sir?«
Bolitho schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«
Er beobachtete, wie die Matrosen sich auf dem Abhang über der Straße verteilten, bemerkte ihre erschöpften Gesichter und ihre beunruhigten Blicke, die sie auf das Meer richteten. Sie würden ihre aussichtslose Lage begreifen, ohne daß sie ihnen erklärt wurde. Sie hatten keine Verpflegung mehr, und bald mußte die Sonne hoch über ihnen stehen und ihnen die letzte Widerstandskraft und allen Kampfwillen rauben.
Dann
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