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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Last auf Eure Schultern, die ich Euch gern ersparen würde, aber es
gibt keinen, der sie besser tragen könnte.«
    Helion schluckte. Das Gespräch verwirrte ihn.
    »Modranel hat seinen Pakt mit den Schatten gebrochen. Er sagt, er
tat es um seiner Tochter, Ajinas, willen. Seit fünf Jahren hilft er uns im
Verborgenen. Denkt Ihr, das Silberpulver in den Tongefäßen ist aus eigener
Kraft schwerelos, wenn das Behältnis zerbricht?«
    »Der Staub rieselte langsamer zu Boden als Schnee«, erinnerte sich
Helion.
    »Es ist Zauberei, die das möglich macht. Das und vieles andere mehr,
von dem der Feind noch nichts weiß. Wir schmieden unsere Waffen hinter fest
verschlossenen Türen. Aber die mächtigste Waffe ist Modranel selbst. Jetzt
gedenken wir, sie einzusetzen.«
    »Gegen welches Ziel?«
    »Er«, Giswon zeigte über die Schulter zu dem Pfahl, wo der steife,
enthauptete Körper bereits deutliche Runzeln bekam, »war ein Baron der
Schattenherren. Zwei Jahrzehnte alt, vielleicht etwas mehr. Ein mächtiger
Gegner. Versteht mich nicht falsch, aber als Ihr auf ihn traft, war er
berauscht und vom Silberstaub war er überrascht.«
    »Und der rote Mond stand voll am Himmel.«
    »So ist es. Für einen Schattenherrn war er jung. Vielleicht hat er
sich deswegen so weit von Ondrien entfernt, wollte sich einen besonderen
Verdienst erwerben. Aber stellt Euch vor, er wäre zehnmal so alt gewesen, oder
hundertmal. Und hätte all die Nächte dazu genutzt, sein Wissen in der
verbotenen Kunst zu vervollkommnen. Hätte Heerscharen um sich versammelt und in
Ondrien seine Gegner beseitigt, wäre in der Gunst des Schattenkönigs ganz nach
oben gelangt.« Er griff Helion bei den Schultern. »Wir wollen Lisanne
vernichten! Die Schattenherzogin! Könnt Ihr Euch vorstellen, was ein solcher
Sieg bedeuten würde?«
    Die Schattenherzöge waren finstere Halbgötter. Ihre Macht überstieg
alles Vorstellungsvermögen. »Wenn das möglich wäre, könnte es den Silberkrieg
entscheiden.«
    »So ist es! Lisanne ist selbst an der Front, das wissen wir. Sie
führt den Angriff auf Guardaja, das unser letztes großes Silbervorkommen
schützt. Wenn Lisanne fällt, müssen sich die ondrischen Streitkräfte neu
ordnen. Gut möglich, dass ein Machtkampf zwischen den Schattenherren ausbricht.
Sie leben ewig, sie denken in anderen Zeiträumen. So etwas kann sie ein
Jahrzehnt oder zwei zum Halten bringen, das ist nicht zu viel gehofft.« Giswons
Oberlippe zitterte.
    »Und es ist wirklich möglich?«
    »Nicht mit Schwertern und Kriegern, aber mit Magie, die so mächtig
ist wie Modranels, kann es gelingen. Wenn wir die Schattenherzogin überraschen.
Und wenn wir Modranel so nah an sie heranbringen, dass er ihr in die Augen
blicken kann.«
    »Aber wo ist Modranel?«
    »Übermorgen wird er beim Heer sein. Er wird verborgen reisen, als
Priesterin Arula. Seine Tochter wird ihn begleiten. Den Magier an sein Ziel
heranzubringen, das war Keratrons Mission.«
    Viele Fragen jagten durch Helions Kopf. Warum diente die Tochter
eines Magiers im Tempel der Mondmutter? Was hatte Ajina ihm noch verschwiegen,
was noch hinter ihrem strahlenden Lächeln verborgen gehalten? Wer wusste um
Modranels Unterstützung? Welche Verkleidung würde er benutzen? Gab es einen
Plan, wie man an Lisanne herankommen würde?
    Aber es war nicht die Stunde für Fragen. »Jetzt ist es meine
Mission«, stellte Helion fest.
    Giswon nickte. »Dann lasst uns hinuntergehen. Hier gibt es nichts
mehr für uns zu tun.«
    Auf den Stufen hielt Helion seinen Ordensmarschall zurück. »Ist dem
Magier zu trauen?«
    Langsam schüttelte Giswon den Kopf. »Nein. Niemals. Aber dennoch ist
das die beste Gelegenheit, die wir jemals hatten. Und außerdem erscheint es mir
in diesem Lichte wie ein Wink der Göttin, dass Ihr hier seid, um diesen Auftrag
zu übernehmen.«
    »Warum?«
    »Weil Ihr nicht zögern werdet, ihn zu töten, sollte er ein falsches
Spiel treiben.«

AUFMARSCH
    › D er schwarze Stern‹ war der
Name, den das Volk der Kathedrale von Karat-Dor gegeben hatte, und in der Tat
mussten die Raben, die über ihm kreisten, in dem gezackten Gebäude eine solche
Form erkennen. Von jedem der sieben Türme sah die überlebensgroße Statue eines
Osadro in das Land, aus Obsidian geschnitten, als hätten die Schatten der Nacht
feste Gestalt angenommen. Sechs von ihnen stellten Herzöge dar, Xenetor, den
Krieger, in seiner Rüstung, Aischos mit dem Folianten des letzten Wissens unter
dem Arm, Borator, als einziger auf einem

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