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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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war.
    »Ihr seid ein Paladin, Herr.«
    Giswon verschränkte die Arme, was seine Rüstung klappern ließ. »So
wie alle, die wieder von diesem Dach steigen werden. Also sprecht frei. Eure
Augen verraten Euch ohnehin. Der Anblick überrascht Euch.«
    »Er ist ungewohnt.«
    »Ich bitte Euch! Es kommt selten genug vor, dass niemand um mich
ist, dem wir schöntun müssten. Verderbt mir diesen kostbaren Moment nicht mit
diplomatischem Geplapper. Darin sind uns die feinen Damen ohnehin überlegen.«
    Unsicher, was von ihm erwartet wurde, sah Helion ihn an. Hier oben
auf dem Tempel wirkte er tatsächlich ganz anders. Das Gesicht schien härter,
selbst das verspielte Schwert sah nun, zusammen mit der Rüstung, wie eine echte
Waffe aus. Seine Klinge stak in der Scheide, aber Helion bezweifelte nicht,
dass sie leuchtete, wie es der Waffe eines Mondschwerts geziemte, wenn sie
einem Osadro nahe war.
    »Wisst Ihr, Helion, der Fächerschlag einer Dame kann eine Stadt in
Flammen aufgehen lassen. Ich habe es selbst erlebt. Hofbälle sehen wenig Stahl,
aber sie hören viele Worte, die den Weg des Stahls lenken. Auf dem Schlachtfeld
ist das Leben gefährlich, aber es ist auch einfach. Wenn Ihr nachts auf Eurem
Lager liegt und keine schwere Wunde spürt, dann wisst Ihr, dass der Tag im
Wesentlichen gut verlaufen ist. Wenn Ihr die Klingen gekreuzt habt und Euer
Feind verblutet im Staub, während Ihr aufrecht steht, dann wisst Ihr, wer der
Sieger ist. Wenn Ihr aber zwischen den Akten eines Theaterstücks mit zehn
einflussreichen Männern gesprochen und Höflichkeiten mit zwanzig Damen
ausgetauscht habt, drei davon im heiratsfähigen Alter, zwei gebunden, aber
unglücklich, dann fragt Ihr Euch noch einen Monat später, worüber Ihr überhaupt
geredet habt. Einen Monat darauf kommt ein Meldereiter von der Front, erst dann
wisst Ihr es. Ein Versorgungszug konnte leider doch nicht geschickt werden, die
Truppen hungern. Oder ein Wagen mit Zeltplanen traf ganz überraschend ein. Oder
ein Haufen Söldner, bezahlt für ein Jahr.« Er sah ihn an. In seinen Augen lag
keine Freude. »Ihr könnt mir glauben, wenn ich das Schlachtfeld wählen dürfte,
auf dem ich dem Orden dienen könnte, die Entscheidung fiele mir nicht schwer.«
    Helion blinzelte in die Sonne, die noch eine Weile brauchen würde,
um ihren höchsten Stand zu erreichen. »Narron ist ein guter Kämpfer.«
    »Dazu habe ich ihn erzogen. Er ist für das Schlachtfeld
geschmiedet.«
    »Bedauert Ihr, dass er nicht an meiner Statt hier steht?«
    »Die Göttin hat gewählt.«
    »Daran glaubt Ihr? Dass sich der Wille der Göttin in diesen
Zweikämpfen offenbart?«
    Seine Rüstung knackte, als er die Schultern zuckte. »Manchmal glaube
ich daran. Nicht oft. Aber was hilft es, daran zu zweifeln? Wir erschaffen die
Welt nicht, wir leben in ihr. Wenn wir all unsere Kraft einsetzen, können wir
ein Stück davon verändern, und wenn wir Glück haben, sieht diese Veränderung
sogar in etwa so aus, wie wir sie uns vorgestellt haben.«
    »Das klingt nicht nach einem Krieger, der seinen Willen mit dem
Schwert in der Faust durchsetzt.«
    »Nein. Ein solcher Krieger bin ich auch nicht. Ich gehöre zu denen,
die in jener Wildnis überleben, die sich Zivilisation nennt. Und ich scheine
recht gut darin zu sein. Nur achtmal wollte man mich bisher vergiften, und bis
auf einmal wurde ich immer rechtzeitig gewarnt.«
    »Bis auf einmal?«
    Er lächelte grimmig. »Ich war für eine Woche auf das Krankenlager
geworfen. Bewegungslos wie unser Ehrengast hier.« Er nickte zu Baron Ranomoff.
»Aber ein Quäntchen hat an der Dosis gefehlt. Deswegen stehe ich hier.«
    »Hat man diejenigen gefasst, die dafür verantwortlich waren?«
    Wieder klapperten seine Schulterteile. »Man hat ein paar Schurken
gehängt, die es sicher verdient haben. Dass die Attentäter darunter waren,
bezweifle ich.«
    Unten auf dem Platz gab es wieder Gedränge. Zu spät Gekommene
beanspruchten einen besseren Blick. Wenn er gefesselt an einem Pfahl in der
Sonne stand, dazu noch auf dem Dach des Tempels, wandelte sich das Grauen, das
einen Schattenherrn umgab, zu einem angenehmen Schaudern, das man sogar den
Kleinkindern gönnte, die man auf den Schultern trug.
    »Ich weiß nichts von Gerrior.« Er war verblutet, bevor er vor die
Richterinnen hatte gebracht werden können.
    »Wenn man sein Leben in der Gesamtheit sieht, kann man ihn achten«,
meinte Giswon.
    »Keratron sagte, die beiden hätten Seite an Seite gekämpft.«
    »Das stimmt. Dann legte

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