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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Thron sitzend, Eskendra, den Fuß auf
dem Kopf eines Fayé, Widaja, die Zuchtmeisterin und Lisanne in ihrer ungnädigen
Schönheit. Der einzige Baron war Gadior, der seinen Platz dadurch verdiente,
dass er die Kathedrale hatte errichten lassen. Ein Palastviertel war dafür
niedergebrannt worden. Der Kult duldete keine weltlichen Gebäude auf seinem
Boden, und so gehörte ihm alles auf dem Kathedralenhügel. Man munkelte, dass
der Bau noch nicht abgeschlossen sei. Gadior plane, über dem Zentrum, das sich
in die Dunkelheit des Felsens senkte, eine achte Statue zu errichten, höher als
diejenigen der Herzöge übereinandergestellt. Sie solle ELIEN
VITAN zeigen, den SCHATTENKÖNIG , der seit
einhundertsiebenundvierzig Jahren auf dem Thron von Orgait saß und die
Geschicke Ondriens bestimmte.
    Lióla hielt das für ein gewagtes Vorhaben, wenn es denn stimmte.
Einige Schattenherzöge waren in den letzten Jahrzehnten wegen des Silberkriegs
in den Süden gereist, und wenn sie Karat-Dor mit ihrer dunklen Präsenz gesegnet
hatten, hatten ihre Blicke immer der Größe und Pracht ihres Standbilds
gegolten. Gadior war klug genug gewesen, die Statue, die ihn selbst zeigte,
einen Schritt kleiner anfertigen zu lassen. Aber wenn er ein Bildnis ELIEN VITANS auf das Zentrum des Sterns stellte, wie
würde der SCHATTENKÖNIG darauf reagieren?
Unmöglich konnte man SEINER Allmacht gerecht
werden. Sicher, auch im Innern war ER abgebildet,
aber das war auf SEIN eigenes Geheiß hin geschehen
und entsprach der Tradition. Auch die Gesichter der anderen SCHATTENKÖNIGE befanden sich dort, ebenfalls aus
Obsidian gemeißelt, wo der Bau am dunkelsten war. Lióla hoffte, dass ihr Herr
klug genug war, seine Baupläne vor der Umsetzung vorzulegen und sich so vor dem
Zorn des Höchsten zu schützen.
    Lióla schob die Hände in die Ärmel ihrer nachtschwarzen Robe, als
sie in die Kammer der Verzweiflung trat. Trotz seiner bescheidenen Bezeichnung
war dieser Raum wie alles in der Kathedrale groß, beengt waren lediglich die
Herzen jener, die hier unter den Augen gerüsteter Wachen warteten. Aber auch
daraus sollte der Kult seinen Nutzen ziehen, dafür würde Lióla sorgen.
    Man hatte den Adepten die Insignien ihrer schwachen Kulte gelassen.
Sie kamen aus Milir, wo der Stiergott Terron verehrt wurde. Auf den Stickereien
ihrer Gewänder hatte man ihm so viele Muskeln gegeben, wie es die Künstler
vermochten. Manchmal war er als menschliche Figur dargestellt, lediglich mit
gehörntem Haupt, meist jedoch in gänzlich tierischer Gestalt. Einige Roben
waren zerrissen, aber das war nur ein Nebeneffekt der Gefangennahme gewesen,
als die Stadt Corella genommen worden war. Lióla lächelte, während sie die
verlorene Schar musterte. Ihrerseits bedachten die Gefangenen sie mit einem Blick,
der die Frage enthielt, die sie schon so oft gesehen hatte: Ob sie wohl selbst
eine Osadra war? Ihre helle Haut täuschte viele, die noch nie die Gnade der
Begegnung mit einem Unsterblichen gehabt hatten. Ein dreifacher Neumond war
selten, so auch die Kinder, die das Zeichen der Geburt aus einer solchen Nacht
trugen.
    Heute war es ein Dutzend Adepten, von denen die meisten wohl
inzwischen erkannt hatten, dass die Kraft ihrer heiligen Symbole in den
Schatten verwehte. Bei einer Gefangenen verharrte Lióla. Sie trug ein Gewand,
das aus einer hellen, wenn auch durch die Umstände stark verschmutzten
Stoffbahn gewickelt war. »Aus Ilyjia?«, fragte Lióla scharf.
    »Ja.«
    Eine Wache trat vor und schlug ihr ins Gesicht, so kräftig, dass es
sie von den Knien riss und zu Boden schleuderte. Sie blutete aus der Nase, als
sie sich wieder aufrappelte. »Ja, Herrin«, sagte sie kleinlaut.
    »Schon besser. Du musst verstehen, dass du hier nur eine Sklavin
bist.« Lióla hob die Stimme. »So wie ihr alle! Eure Götter haben euch verlassen!
In Ondrien haben sie keine Kraft!«
    Einige Milirier schluchzten. Daheim waren sie ein stolzes Volk,
sagte man, unbeugsam, trotzig. Deswegen verweigerten sie Ondrien jeden Tribut,
obwohl sie das zu den Hauptleidtragenden des Krieges machte. Hätten sie ihre
Silberminen herausgegeben, hätten die Schattenherren vielleicht Gnade walten
lassen. So mussten die Milirier hinnehmen, dass eine ihrer Städte nach der
anderen unter schwarze Banner fiel. Wie jüngst Corella.
    An den milirischen Gefangenen hatte Lióla bislang nichts Besonderes
feststellen können. Wenn überhaupt, dann waren es die riesenhaften Menschen aus
Bron, die der Furcht in den Schatten

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