Feind
den
Frieden garantieren.«
»Ist das gelungen?«
»Nur solange, bis ich stark genug war, meinen Lehrer zu erwürgen.«
»Ihr habt ihn ermordet?«, rief Helion.
Estrog zuckte die mächtigen Schultern. »Manche Gelehrte würden es so
sehen. Für mich war es kein Mord, sondern ein Kampf. Ich war zwölf.«
»Ihr habt mit zwölf Jahren einen Menschen getötet?«
»Und mich zu meinem Stamm durchgeschlagen. Vier Jahre später habe
ich meinem Vater die Nase gebrochen. Seitdem bin ich Häuptling.«
»Helion!«, rief eine Stimme, von der er nicht wusste, ob er ihren
Klang herbeisehnte oder sie nie wieder hören wollte.
Ajina lief heran, begleitet von einer anderen Frau. »Ich danke der
Göttin, dass wir Euch gefunden haben! Ihr müsst helfen!«
»Was ist denn geschehen?« Die Rüstung klapperte, als er sich erhob.
Eine Hälfte von Ajinas Gesicht war geschwollen. Ihre Toga, unter der
sie ein Wollhemd gegen die Kälte trug, war vom schnellen Lauf verrutscht. »Sie
haben ein Kind entführt.«
»Meine Tochter!«, rief die andere Frau. »Rina!«
»Zwei Krieger. Sie haben ihren Mann getötet, uns bewusstlos
geschlagen und das Kind mitgenommen. Als wir erwachten, sind wir ihren Spuren
gefolgt, soweit es ging, aber der Wald hat sie schnell verwischt.«
»Fayé?«, fragte Helion alarmiert.
Ajina schüttelte den Kopf. Sie sah ungewohnt aus mit ihrem
zerzausten Haar und der geschwollenen Wange. Doch auch jetzt sorgten ihre blau
strahlenden Augen dafür, dass die Schönheit ihr Gesicht nicht verließ.
»Menschen. Eskadier, nach dem Klang ihrer Worte zu urteilen.«
Helion sah hoch in Estrogs Gesicht. Wenn die Nacht ihn nicht
täuschte, runzelte der Barbar die Stirn. »Denkt Ihr das Gleiche wie ich?«
»Es wäre ein merkwürdiger Zufall, wenn es nicht geplant gewesen
wäre, unsere Truppen hier festzuhalten. Die Offiziere tanzen oben, die
einfachen Krieger betrinken sich an der edlen Spende des Barons.«
»So edel scheint er mir nicht!« Entschlossen schritt Helion zum
Eingang, ignorierte die Ehrenwache, die sich als klug genug erwies, einen
Paladin mit einem Barbaren im Gefolge nicht aufzuhalten, und polterte in den
Ballsaal. Baron Truber war nicht schwer zu finden. Helion musste sich
beherrschen, um ihn nicht am Kragen von seinem Thron zu reißen. »Steht auf!«,
rief er.
Die Barden verstummten, und auch das Gemurmel der Gespräche erstarb.
Mit zusammengezogenen Brauen musterte der Baron erst Helion und
Estrog, dann wanderte sein Blick weiter zu den beiden Frauen. Er strich sein
Wams glatt. »Ersparen wir uns das Geplänkel. Früher oder später musstet Ihr es
herausfinden. Ich hatte gehofft, es würde bis morgen dauern, aber so soll es
mir auch recht sein.«
»Eine Kinderkarawane!«, spie Helion ihm ins Gesicht. »Was fällt Euch
ein?«
»Nun, eigentlich«, seine spitzen Finger spielten mit dem Tischtuch,
»ist es nicht mir eingefallen, sondern dem Unterhändler aus Ondrien. An Gold
ist den Schattenherren nicht so viel gelegen wie uns. Sie forderten Kinder.
Einhundert. Ein guter Preis für den Frieden, was man so hört.«
»Sagtet Ihr mir nicht heute noch, das Wohl Eurer Untertanen sei die
Rechtfertigung für Eure Existenz?«
»Andere mussten erheblich mehr zahlen«, erwiderte Truber schneidend.
Graf Jidon von Arriar, Anführer des Heerzugs gegen die Schatten,
erhob sich von seinem Ehrenplatz neben dem Baron und sah streng auf diesen
hinab. »So seid Ihr im Bunde mit unserem Feind?«
»Ich bin im Bunde mit den Menschen meiner Baronie.«
Helion zog die Frau, die mit Ajina gekommen war, vor die
herrschaftliche Tafel. »Wie ist dein Name?«
»Sie heißt Deria«, kam der Baron ihrer Antwort zuvor. »Ihr Mann lag
im Sterben, ihr Kind wäre als Halbwaise aufgewachsen. Wenn es denn jemals das
Alter erreicht hätte, um für sich selbst zu sorgen.«
»Kester lag nicht im Sterben«, protestierte Ajina. »Sein Fieber
klang bereits ab. Wir hätten sogar sein Bein retten können!«
Baron Truber sah ins Leere. »Dann haben meine Berater mich falsch
informiert. Ich hieß sie, nach Kindern zu suchen, die ohnehin keine Zukunft
hatten. Zwanzig mussten es sein.« Für einen Moment sagte niemand etwas. »Und
zwanzig wurden es!«, bekräftigte der Baron dann mit festerer Stimme.
»Spracht Ihr
nicht von hundert?«, fragte Graf Jidon.
»Hundert ließ ich auf den Sklavenmärkten des Südens kaufen. Aber
eine Karawane wurde abgefangen. Daran trifft Euch keine Schuld. Meine eigenen
Landsleute vollbrachten das.« Seine Stimme war
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