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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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hatten
Jahrhunderte Zeit, etwas anderes, Dunkles zu werden. Nichts haben sie mehr
gemein mit dem lichten Volk, das einst zu den Bäumen sang, um vom Wald Häuser
wie dieses zu erbitten. Nichts außer dem Stolz. Und der lässt sie ihre alte
Heimat zurückfordern. Amdra will den Nachtschattenwald zurück. Den ganzen Wald.
Kein Mensch soll mehr ungestraft seinen Fuß hineinsetzen, so lautet die
Botschaft von Ilion, dem König der Fayé!«
    »Aber Eure gesamte Baronie liegt im Wald!«
    »Was Ihr nicht sagt«, versetzte er bitter. »Sie sind dort draußen.
Unsichtbar unter den Bäumen. Wenn Ihr dort unterwegs seid, kann es sein, dass
sie keine drei Schritt entfernt zwischen den Farnen stehen, ohne dass Ihr sie
seht. Auf freiem Feld sind sie ebenso gefährlich. Der Pfeil eines Fayé fliegt
einhundert Schritt, schlägt durch Schild und Rüstung und findet das Herz.«
    Der Baron blinzelte und richtete sich auf. Als er wieder sprach,
hatte seine Stimme zu der Gleichgültigkeit vom Beginn des Gesprächs
zurückgefunden. »Ihr seht, es gibt Dinge, die drängender nach meiner
Aufmerksamkeit verlangen als Euer Kriegszug.«
    »Es ist nicht mehr weit, Herrin! Gar nicht mehr weit!«
    Deria war nicht viel älter als Ajina, aber schon in den zwei
Stunden, die sie sich nun kannten, hatte Ajina herausgefunden, dass die andere
Frau ein Leben geführt hatte, das sich gänzlich von dem ihrigen unterschied.
Sie war wohl das, was man einen ›einfachen Menschen‹ nannte. Sie hatte jung
geheiratet und das größte Abenteuer ihres Lebens bestand darin, dass sie mit
ihrem Mann, einem Köhler, in den Wald gezogen war, eine gute Wegstunde von der
Siedlung um Baron Trubers Palast entfernt.
    »Ich danke Euch so sehr, dass Ihr die Anstrengung auf Euch nehmt!«
    »Ich tue es gern«, versicherte Ajina. »Und ich habe schon
mühseligere Märsche hinter mich gebracht.« Sie dachte an die Überquerung des
Donnerpasses bei klirrendem Frost. Sie war damals fünfzehn gewesen, mit ihrem
Vater auf der Flucht. Ihre Jugend hatte nicht nur angenehme Jahre gesehen.
Magier wurden wegen ihrer Macht respektiert, aber niemals geliebt. Die meisten
Menschen fürchteten die Kräfte, mit denen sie im Bunde standen, auch wenn nur
wenige wussten, wie viel Grund sie dazu hatten. Ajinas größte Hoffnung war,
dass das Opfer, das ihr Vater zu bringen beabsichtigte, ihn vor den Augen der
Götter reinwaschen würde.
    »Ich werde Euch gleich etwas kochen, wenn wir ankommen. Wir haben
nicht viel, aber was unser ist, wollen wir Euch anbieten.«
    Eigentlich war Ajina froh über die stramme Wanderung. In Eskad war
es deutlich kälter als in Ilyjia, sodass sie bei dem stillen Gebet, das für den
Morgen vorgesehen war, sicher gefroren hätte. »Das ist sehr freundlich. Aber
wenn die Verletzung so ist, wie ich sie mir nach deiner Beschreibung vorstelle,
brauche ich zuerst abgekochtes Wasser, um sie zu reinigen.«
    »Natürlich. Alles, was Ihr sagt! Seht Ihr? Wir sind schon da! Das
ist unser Heim!«
    Auf einer kleinen Lichtung lehnte sich eine Hütte an einen Felsen.
Ein Lagerschuppen duckte sich daneben, etwas entfernt stand ein Verschlag, der
nur der Abort sein konnte. Das beherrschende Gebäude war der Meiler, in dem die
Holzkohle hergestellt wurde. Durch den Erdbewurf sah er aus wie ein
unbewachsener, kegelförmiger Hügel. Von seiner Spitze stieg Rauch auf.
    Deria bemerkte ihren forschenden Blick. »Mein Kester hat den Meiler
noch befüllt, obwohl er kaum gehen konnte mit dem schlimmen Bein. Wir brauchen
das Geld, das wir für die Kohle bekommen.«
    Auf der Lichtung liefen einige Hühner, im Wald quiekten Schweine,
die dort nach Bucheckern suchen mochten.
    »Bring mich zu ihm.«
    Kester lag ausgestreckt auf einem niedrigen Lager. Als sie
eintraten, drehte sich ein vielleicht sechsjähriges Mädchen um, in der Hand
noch den Lappen, mit dem es die Stirn des Mannes getupft hatte. »Die Priesterin
ist da«, meldete es seinem Vater.
    »Ja, das ist sie, Rina.« Deria klang jetzt schon erleichtert, als
wäre die Gesundung ihres Mannes bereits durch die Ankunft der Adepta
garantiert.
    Ajina nahm ihren Beutel von der Schulter, schob das Kind lächelnd
zur Seite und hockte sich vor das Krankenlager. »Heißes Wasser«, erinnerte sie
Deria gleich darauf.
    Kester sah sie aus tiefliegenden Augen an. Er war ein sehniger Mann
mit einem schütteren Bart. Seine Stirn war heiß unter dem Film kalten Wassers.
    »Ich muss mir die Wunde ansehen«, erklärte sie.
    Er netzte seine Lippen und nickte.

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