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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Sonnenstrahlen des neuen Tages funkelten durch den
Rubin in Helions Schwertknauf. Um ihn herum wurden bereits die Zelte
abgebrochen, als er den Edelstein an seine Stirn drückte und ihm seine Gedanken
anvertraute, die auch nach zwei Nächten mit unruhigem Schlaf noch um Baron
Truber kreisten. Hundert Dinge waren ihm eingefallen, die er ihm hätte sagen
sollen. Von Menschen, die an der Front standen, um für ihn und sein Land zu
sterben, während er Geschäfte mit dem Feind machte. Von der Hybris seines
Versuchs, Magier zu überlisten, die Jahrhunderte hatten kommen und gehen sehen.
Deren Pläne weiter reichten als der Atem von Sterblichen. Dass er seine
Generation vielleicht gerettet haben mochte – das war noch abzuwarten –, dafür
aber seine Kindeskinder einer Welt der Dunkelheit auslieferte.
    Gestern hatten sie den Einflussbereich Eskads verlassen. Wenn sie
hier Kriegern begegneten, würden es solche sein, die dem König von Milir die
Treue geschworen hatten. Aber das war unwahrscheinlich, beinahe alle seine
Kämpfer waren an der Nordgrenze zusammengezogen, bemannten entweder die
Festungen oder standen auf den Schlachtfeldern zwischen den Ondriern und den
letzten Silberminen, die ihre einzige Hoffnung auf ein Bestehen gegen die
Schattenherren waren.
    Nachdem er sein Morgengebet beendet hatte, machte er sich auf die
Suche nach seinem Pferd. Zwar würde er nie ein guter Reiter werden, aber die
Wochen im Sattel hatten immerhin zu einer Gewöhnung seiner Muskeln geführt. Die
Schenkel schmerzten nicht mehr. Er bildete sich sogar ein, der Falbe würde
folgsamer auf seine Kommandos reagieren. Helion war kurz davor, dem Tier einen
Namen zu geben.
    Als er an Modranels Wagen vorbeikam und das Lachen einer Frau aus
dem Inneren hörte, dachte er sich nichts dabei. Er stutzte erst, als er kurz
darauf Ajina sah, die dabei half, am Bach die Wasserschläuche für den Tag zu
füllen.
    »Wer …?«, setzte er an. Er wandte sich ab und stapfte auf den Wagen
zu.
    Er vergewisserte sich, dass niemand in seine Richtung sah. Dann zog
er die Plane auf und kletterte in den Wagen.
    »Welch hoher Besuch!«, begrüßte ihn Modranel voller Spott.
    Neben dem Magier saß eine Frau. Helions Augen brauchten einen
Moment, um sich an das spärliche Licht der Laterne zu gewöhnen. Dann erkannte
er sie. »Deria!«
    »Ich sehe, ich brauche Euch nicht mehr vorzustellen«, sagte
Modranel.
    »Seid Ihr wahnsinnig?«, fragte Helion und meinte beide damit. Als
bis auf Modranels Kichern keine Antwort kam, fixierte er den Magier: »Wie könnt
Ihr Euch enthüllen?«
    »Ich denke, ich bin sittsam gekleidet«, stellte der Alte fest.
    »Wenn sie nun Euer Gesicht erkennt? Schlimm genug, dass sie weiß,
dass ein Mann in der Tarnung einer Priesterin reist.«
    »Ich habe Schlimmeres gesehen.«
    »Das weiß ich!«, fauchte Helion so scharf, dass Deria zurückschrak.
    »Ihr macht ihr Angst«, tadelte Modranel mit übertriebener Sorge in
der Stimme.
    »Sie sollte Angst haben. Das sollten wir alle.«
    »Und das aus dem Mund eines Paladins? Ist Mut keine Tugend mehr
unter den Mondschwertern?«
    »Mutig ist nicht jener, der keine Angst kennt, sondern der, der sich
ihr stellt. Wer angesichts des Feindes, gegen den wir ziehen, keine Angst
verspürt, hat keinen Verstand.«
    »Respekt. Das ist der erste kluge Ausspruch, den ich von
Euresgleichen vernahm.«
    »Wollt Ihr mir jetzt endlich sagen, was diese Frau hier zu schaffen
hat?«
    »Nun, sie teilt mein Schicksal.«
    »Wie meint Ihr das? Sie ist doch keine …?«
    »Zauberin? Das nicht, aber sie ist jemand, der sich vor neugierigen
Augen verbergen muss. Oder zumindest musste sie das gestern. Ihre Herrschaft
hätte ihr niemals gestattet, mit uns zu ziehen.«
    »Was mein volles Verständnis gefunden hätte. Was willst du hier?«
    »Rina ist der letzte Mensch, der mir geblieben ist«, sagte Deria mit
fester Stimme. »Ich muss sie finden.«
    Helion lachte auf. »Dann gehst du am besten direkt zu dem Bach dort
draußen, legst dich mit dem Gesicht nach unten hinein und wartest, bis du
ertrinkst. Umso schneller wirst du im Nebelland sein. Dort magst du deine
Tochter finden.«
    »Solange sie lebt, gibt es Hoffnung. Ich bin ihre Mutter. Ich würde
sie nie aufgeben. Das weiß sie.«
    »Hör zu, Frau, das ist Wahnsinn! Da draußen stehen Krieger, die ein
Schwert an der Seite tragen, seit sie gehen können. Die meisten von ihnen
werden sterben. Wie willst du gegen die Schatten bestehen?«
    »Ich bin eine gute Jägerin.« Trotzig

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