Feinde der Krone
»Niemand weiß doch, dass es überhaupt eine gegeben hat! Er würde dich wegen übler Nachrede verklagen oder wahrscheinlich sogar in eine Irrenanstalt sperren lassen. Wir haben dafür gesorgt, dass alle glauben, er hätte praktisch im Alleingang etwas Großartiges für die Monarchie getan. Die Königin hält große Stücke auf ihn. Der Thronfolger und alle um ihn herum werden hinter ihm stehen.« Empört fügte sie hinzu: »Und niemand kann etwas gegen diese Leute unternehmen – schon gar nicht, wo Randolph Churchill und Lord Salisbury ebenfalls auf ihrer Seite stehen.«
Er lehnte sich an den Geländerpfosten. »Ich weiß«, sagte er. »Ich wünschte, ich könnte dem Thronfolger enthüllen, dass Voisey um ein Haar all seine Aussichten auf die Krone zunichte gemacht hat, aber wir verfügen über keinerlei Beweise mehr.« Er beugte sich zu ihr und strich ihr über die Wange. »Es tut mir wirklich Leid. Ich weiß, dass meine Erfolgschancen schlecht sind, aber ich muss es versuchen.«
Tränen liefen ihr über das Gesicht. »Ich packe morgen früh wieder aus. Jetzt bin ich zu müde dazu. Was um Himmels willen soll ich nur Daniel und Jemima sagen – und Edward? Die Kinder haben sich so gefreut –«
»Pack nicht aus«, fiel er ihr ins Wort. »Ihr fahrt einfach…«
»Etwa allein?« Ihre Stimme überschlug sich fast.
»Nimm Gracie mit. Ich komme schon zurecht.« Er wollte ihr nicht sagen, wie sehr es ihm dabei auch um ihre Sicherheit ging. Im Augenblick war sie aufgebracht und enttäuscht,
doch würde sie nach und nach begreifen, was es bedeutete, Voisey erneut gegenüberzutreten.
»Was wirst du essen? Was wirst du anziehen?«, wandte sie ein.
»Mistress Brody kann mir etwas kochen und sich um die Wäsche kümmern«, gab er zur Antwort. »Mach dir keine Sorgen. Nimm die Kinder mit, und genieß die Zeit mit ihnen. Ganz gleich, ob Voisey gewinnt oder verliert, sobald die Wahlergebnisse bekannt sind, kann ich ohnehin nichts mehr tun. Dann komme ich nach.«
»Das ist viel zu spät!«, sagte sie verärgert. »Die Auszählung kann Wochen dauern.«
»Er kandidiert für einen Sitz in einem Londoner Wahlkreis. Der wird als einer der Ersten ausgezählt.«
»Es kann trotzdem Tage dauern!«
»Charlotte, ich kann nichts daran ändern!«
Mit kaum beherrschter Stimme sagte sie: »Das ist mir klar! Sei nicht so verdammt vernünftig. Macht es dir denn nicht das kleinste bisschen aus? Bist du nicht wenigstens wütend?« Sie fuhr mit der geballten Faust durch die Luft. »Es ist einfach ungerecht! Die haben beliebig viele andere zur Verfügung. Erst werfen sie dich in der Bow Street hinaus und verlangen, dass du in irgendeinem Elendsquartier von Spitalfields lebst, und nachdem du die Regierung und den Thron gerettet hast und weiß der Himmel was sonst noch, setzt man dich wieder ein – nur um dich erneut zu entlassen! Jetzt nimmst du deinen ersten Urlaub …« Sie holte Luft, und aus ihren Worten wurde ein Schluchzen. »Und wozu das alles? Für nichts und wieder nichts! Du kannst nichts gegen Voisey unternehmen, wenn die Menschen so dumm sind, ihm zu glauben. Ich hasse den Sicherheitsdienst! Die tun, was ihnen beliebt, und niemand gebietet ihnen Einhalt. Man könnte glauben, dass sie niemandem verantwortlich sind!«
»Ein bisschen wie der Innere Kreis und Voisey«, sagte er und versuchte, ein wenig zu lächeln.
»Von mir aus ganz genauso.« Sie sah ihm in die Augen, und er entdeckte in ihrem Blick den Anflug eines Aufleuchtens, das sie zu verbergen versuchte. »Niemand kann sich ihm in den Weg stellen.«
»Ich habe es einmal getan.«
»Wir!«, verbesserte sie ihn mit Nachdruck.
Diesmal lächelte er richtig. »Hier gibt es keinen Mordfall, den du lösen müsstest.«
»Du auch nicht«, gab sie zurück. »Du meinst wohl, dass das alles mit Politik und Wahlen zu tun hat und Frauen nicht einmal wählen, ganz davon zu schweigen, dass sie sich für das Unterhaus aufstellen ließen.«
»Geht dein Ehrgeiz etwa in diese Richtung?«, fragte er überrascht. Lieber redete er über jedes beliebige Thema, sogar dieses, solange er ihr nicht sagen musste, wie sehr er um ihre Sicherheit fürchtete, sobald Voisey merkte, dass er wieder mit einer Sache zu tun hatte, die ihn betraf.
»Auf keinen Fall!«, gab sie zur Antwort. »Das hat damit aber nichts zu tun.«
»Glänzende Logik.«
Sie steckte eine Haarsträhne, die sich gelöst hatte, wieder mit der Nadel fest. »Wenn du zuhause wärest und mehr Zeit mit den Kindern verbrächtest,
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