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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Kommentar« abgewimmelt hatten. »Zufällig reingestolpert«, sagte er
schließlich.
    Ich zögerte, fragte mich, ob ich
nachhaken sollte. Nein, befand ich, sein verkniffener Mund signalisierte, daß
ich doch keine eingehendere Erklärung aus ihm herausbekommen würde. Wenn ich es
recht bedachte, hatte Suits in der ganzen Zeit, die ich ihn gekannt hatte, kaum
je etwas über sich mitgeteilt. Er konnte unermüdlich reden, aber sein
Konversationsrepertoire bestand aus unverbindlichem Geplauder, inhaltsloser
Blödelei und weitgehend apokryphen Anekdoten. Ich hatte nicht die leiseste
Ahnung, wo er geboren, aufgewachsen oder zur Schule gegangen war. Seinen vollen
Namen kannte ich nur, weil ich einmal einen Blick auf seinen in Massachusetts
ausgestellten Führerschein erhascht hatte, als er im Co-op-Markt in Berkeley
einen — wie sich später herausstellte, ungedeckten — Scheck ausgestellt hatte.
    Ich sagte: »Erzähl mir genauer, was du
machst.«
    Suits knüllte seine Serviette zusammen,
warf sie auf den Teller und rülpste diskret. »Okay, ich werde dir erklären, wie
das läuft. Nimm mal an, da ist eine Firma, die den Bach runtergeht. Sie hat
Schulden in Millionenhöhe, die Gläubiger machen Stunk. Das Betriebsklima ist
mies: die Angestellten verlassen in Panik das sinkende Schiff, das Management
ist sauer auf den Vorstand, der Vorstand hat kein Vertrauen mehr in das
Management. Der Bankrott droht, und die Aktionäre stoßen ihre Anteile ab. Was
also tut der Vorstand?«
    Ich hob fragend die Augenbrauen.
    »Er startet einen letzten verzweifelten
Versuch und holt einen Krisen-Experten. Einen Mann, der das Ruder herumwirft.«
Er tippte sich mit dem Daumen auf die Brust. »Mich.«
    Ich griff in meine Handtasche und nahm
meinen Mini-Recorder heraus. Besser, ich nahm unser Gespräch auf, für den Fall,
daß ich je beschließen sollte, ihn als Klienten anzunehmen. »Du gestattest?«
fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf und wedelte
abwehrend mit der Hand. »Nichts, was ich sage, kommt auf irgendein Band. Kein
Wort.« Ich steckte achselzuckend das Gerät wieder weg. »Red weiter.«
    »Okay, der Krisenexperte — ich — kommt
an Bord. Es gibt nicht allzu viele — vielleicht neun, zehn in den gesamten
Staaten —, die wirklich Spitzenleute sind. Der Vorstand bietet mir einen Haufen
Geld, Vorkaufsrechte und nicht-finanzielle Anreize, um mich zu ködern. Er
überläßt mir das Kommando. Ich bin ein Diktator. Ich kann abschießen, wen ich
will — und genau das mache ich. Als erstes veranstalte ich ein Blutbad.«
    Interessant, daß ausgerechnet Suits,
der immer die Werte von Love & Peace im Mund geführt hatte, sein
Handwerk in so blutrünstigen Metaphern beschrieb.
    »Okay«, fuhr er fort, »ich werd dir
sagen, wie das geht. Du suchst dir einen Sündenbock. Muß nicht der Kerl sein,
der wirklich schuld an der Misere ist, nur jemand, der an einer prominenten
Stelle sitzt. Du pickst ihn raus und schießt ihn ab. Peng! Weg ist er. Du hast
allen gezeigt, wie gnadenlos du bist, und die Leute haben jetzt Muffensausen.
Teufel noch mal, wenn du’s richtig anstellst, rennen sie siebzehnmal am Tag auf
den Lokus.«
    »Wie nett.«
    »Hey, das muß sein.«
    »Du hast dich verändert, Suits.«
    Er sah mir ruhig und freimütig in die
Augen. »Gilt das nicht für uns alle, Sherry-O?« fragte er milde.
    Ich quittierte die implizite Anspielung
mit einer reuigen Grimasse.
    »Okay, das Blutbad ist also im großen
und ganzen beendet. Als nächstes holt man die eigenen Leute heran. Ich habe
einen festen Stab in meiner Firma in L.A., aber die machen nur unser eigenes
Management. Für die Arbeit vor Ort habe ich einen bundesweiten Experten-Pool,
aus dem ich Leute heranziehen kann: einen Finanz-Crack aus Chicago, einen
Marketing-Menschen aus Dallas, einen Operations-Manager aus Atlanta. Diese
Leute setze ich ein. Sie sind hochgradig sichtbar, sie haben Autorität. Und sie
zeigen, daß sie sich drauf verstehen, Leute in den Arsch zu treten.
    »Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen,
weiter auszumisten. Man räumt auf, schafft erst mal wieder Ordnung. Man handelt
Deals mit den Finanzleuten aus — mit Banken und Investoren. Man handelt Deals
mit den Gläubigern aus. Die Leute erlassen dir jede Menge Zinsen, wenn sie eine
Chance sehen, ihr Geld wiederzukriegen. Im Grund versuchst du erst mal, den
Laden zu stabilisieren. Das kann ein Jahr dauern.«
    »War das der Grund, weshalb du nicht
dazu gekommen bist, dir Möbel zu kaufen?«
    Er grinste. »Du hast’s

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