Feinde kann man sich nicht aussuchen
stieß die
Tür auf. Suits winkte mir, ihm zu folgen. Ich duckte mich und rannte hinüber.
Der Pilot, ein kräftiger Rotschopf mit sommersprossengesprenkeltem,
wettergegerbtem Gesicht, streckte die Hand aus und half mir an Bord. Suits
machte uns brüllend miteinander bekannt und erteilte Instruktionen, während ich
mich auf einem der hinteren Sitze anschnallte und den Kopfhörer aufsetzte, der
es uns erlauben würde, miteinander zu kommunizieren. Dann kletterte er auf den
Platz neben mir, und der Hubschrauber hob ab.
»Okay«, sagte ich, als er seinen
Kopfhörer aufhatte. »Wohin fliegen wir?«
»Ich sagte doch schon — du fragst
zuviel.«
»Suits!«
»Ich erzähl dir erst mal ein paar
Sachen über die Golden Gate-Lines.«
Ich schüttelte resigniert den Kopf und
machte es mir bequem. Josh Haddon schwenkte über die Bay hinaus und hielt dann
südwärts, die Küste entlang, Richtung China Basin. Zu unserer Linken lag Oakland,
die Spitztürme der Innenstadt in gelblichen Dunst gehüllt; rechts sichtete ich
den weißen Telekommunikations-Turm ganz oben auf dem gelbbraunen Hügel von
Bernal Heights, wo All Souls residiert.
»Schon mal von Pacific Coast Steamers
gehört?« fragte mich Suits über Kopfhörer.
»Na klar.« Die Dampfschiffe der
Pacific-Coast-Steamers-Reederei hatten 1870 den Verkehr an der Westküste
zwischen Portland und San Diego aufgenommen. Jedes kalifornische Schulkind, das
in Heimatgeschichte einigermaßen aufgepaßt hat, weiß das — und ich war da immer
ziemlich gut. Ich hoffte zu Gott, daß Suits mir keinen Vortrag über dieses
Thema halten wollte.
»Also, die Golden Gate Lines wurden
neunzehnhundertsechzehn gegründet«, sagte er, »als die Pacific Coast Steamship
Company von der Admiral Line übernommen wurde. Anscheinend hatte einer der
Bosse der Pacific Coast etwas gegen den alten Gauner, der die Admiral Line
aufgebaut hatte. Er nahm das Geld und gründete eine Konkurrenzgesellschaft.
Binnen zehn Jahren waren die Golden Gate-Lines eine der führenden
Frachtschiffreedereien, mit Heimathafen in San Francisco.«
»Suits, was hat das mit —«
»Kontext ist alles.«
Was immer das heißen sollte.
»Okay, jetzt in die siebziger Jahre.«
Soviel zum Thema Kontext. Typisch
Suits, sechs Jahrzehnte einfach zu überspringen.
»Die Gesellschaft floriert«, fuhr er
fort. »Sie hat sechzehn Containerschiffe laufen und sahnt im Golf-Handel ab.
Das Geld fließt in Strömen herein — bis zu drei Millionen pro Fahrt. Diese
Schiffe werden bis zum Gehtnichtmehr beladen — drei-, vierhundert Container.
Aber das Geld fließt auch in Strömen raus: gigantische Kranmieten,
astronomische Telefonrechnungen, immense Gehälter, Materialverluste. Aber kein
Mensch merkt was, man achtet schließlich nicht auf jeden Cent.«
Er hielt kopfschüttelnd inne. »Sie
übergeben die Container iranischen Transportfirmen, und die verdammten Dinger
verschwinden einfach irgendwo in der Wüste. Man findet sie heute noch in der
Umgegend von Teheran, wo sie ganze Beduinensippen beherbergen. Aber keiner merkt
was, es kümmert sie einen Dreck, das Geschäft blüht. Und als dann
siebenundsiebzig der Nahosthandel zusammenbricht und sie mit dem Rücken zur
Wand stehen, ist das Entsetzen groß.«
Wir näherten uns jetzt Hunters Point,
wo halbverfallene Werftarbeiterbaracken aus dem Zweiten Weltkrieg die Hänge
überziehen und vielen unserer minderprivilegierten Mitbürgern als zweifelhaftes
Obdach dienen. Vielleicht, dachte ich, hatten es diese Beduinen ja gar nicht so
schlecht. Ein zwanzig Jahre alter Frachtcontainer bot sicher immer noch mehr
Schutz vor den Elementen als diese Behausungen.
»Und was tut der Golden Gate-Vorstand?«
fragte Suits rhetorisch. »Das Management feuern? Einen Turnaround-Experten
anheuern? Nein, nichts von alledem. Er verkauft vielmehr fünf der besten
Schiffe, die sie haben, rekrutiert noch weitere Manager zu Riesengehältern,
feuert den einzigen Burschen im ganzen Laden, der ein bißchen Grips hat, und
verlegt die Gesellschaft nach Oakland, wo irgendwer einen Deal mit einem
Finanzfritzen ausgeknobelt hat, der natürlich prompt platzt. Und dann ist der
Bankrott da, und ein Haufen unschuldiger Leute — Angestellte, Aktionäre,
Gläubiger — guckt in die Röhre.«
»Aber das war Ende der siebziger
Jahre«, sagte ich. »Die Gesellschaft hat überlebt.«
»Ja, es hat sich ein rettender Engel
gefunden. Ein Bursche namens Harvey Cameron. Ein Großindustrieller aus Chicago
mit einem Faible für alles,
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